„Eine Autobahn in den Himmel“

KÖNIGSKLASSE Steht mit Barca gegen Real die Krönung der spanischen Fußballherrlichkeit bevor?

In der Liga liefern sich die spanischen Giganten derzeit einen Zweikampf für die Ewigkeit

BARCELONA taz | Das Champions-League-Finale 1998 gewann Real Madrid gegen Juventus Turin durch ein Tor von Predrag Mijatovic. Die Zeitgenossen debattierten über eine mögliche und bis heute nicht einwandfrei geklärte Abseitsposition. Nicht ahnen konnten sie, dass dieses Endspiel zwischen zwei Rekordmeistern gleichzeitig eine Zeitenwende bedeuten würde. Zu Ende ging die Hegemonie des italienischen Klubfußballs. Stattdessen übernahm Spanien. Sechs weitere Champions-League-Titel sowie sieben Uefa-Cups (Europa Leagues) stellten die Vereine aus Madrid, Barcelona, Valencia und Sevilla seither in ihre Vitrinen.

Wo Juventus heute gegen Real sein erstes Halbfinale seit 2003 spielt, ist die Teilnahme der spanischen Vertreter an den Final Four daher kaum eine Nachricht: Für Real ist es das fünfte in den letzten fünf Jahren, für Barcelona das achte in den letzten zehn. „Barca und Madrid sind die beiden besten Teams Europas“, verkündet die Zeitung Sport und sieht die Menschheit „an der Schwelle des größten Spiels, das je erträumt wurde“. Gemeint ist nicht die Revanche für 1998 in Turin, nicht mal die Heimkehr von Pep Guardiola in Barcelona – sondern die mögliche Krönung der spanischen Fußballherrlichkeit: ein Clásico im Champions-League-Finale in Berlin. Den hat es trotz aller Rekordstatistiken noch nie gegeben.

Wann immer sich die Möglichkeit dazu ergab, ging es grandios daneben. 2012 sahen sich auch schon alle im Endspiel, ehe binnen zweier Tage erst Guardiolas Barca von Roberto Di Matteos Chelsea eliminiert wurde und dann José Mourinhos Real von Heynckes’ Bayern. Im Jahr darauf erlebte ein morsches Barcelona gegen die Bayern sein Waterloo (0:7) und konnte Real mit den letzten Zuckungen der Mourinho-Ära den Torpoker von Dortmunds Robert Lewandowski nicht übertrumpfen. Manche sahen da schon ein Ende des spanischen Zeitalters gekommen. Doch zwei Jahre später amtiert Real als Titelverteidiger, liefern sich sein Ronaldo und Messi weiter ihre epischen Fernduelle (aktueller Torstand: 53:51) und hat Barcelona mit Messi, Neymar und Luis Suárez das fulminanteste Sturmtrio der neueren Geschichte beieinander.

In der Liga liefern sich die spanischen Giganten derzeit einen Zweikampf für die Ewigkeit. 21 der letzten 21 Punkte hat Madrid geholt, 31 der letzten 33 der FC Barcelona. Auch die um zwei Zähler besser positionierten Katalanen dürfen sich nicht mal ein Remis erlauben, sie würden wegen des verlorenen direkten Vergleichs dann hinter Real fallen, und so lag am viertletzten Spieltag große Spannung in der Luft. Barca legte nachmittags mit einem 8:0 bei Absteiger Córdoba vor, Madrid returnierte abends, indem es die schwerste Festung der Liga einnahm, mit einem 3:2 beim zu Hause seit 34 Spielen ungeschlagenen Sevilla. „Wir müssen in jedem Spiel unser Leben geben“, erklärte Sergio Ramos.

Genau das könnte sich allerdings in Europa noch als Problem erweisen, denn die Gegner stehen bereits als Meister fest und können in der Liga alle Kräfte schonen. Auf Madrid etwa wartet dagegen schon das nächste Spitzenspiel gegen Valencia. Gleichwohl traut man Juventus die Rolle des Partybreakers in Spanien noch weniger zu als den ersatzgeschwächten Bayern. „Berlin ist noch weit weg“, bekannte zwar routinemäßig Reals Viertelfinalheld „Chicharito“ Hernández. Andererseits klang es schon ein wenig gönnerhaft, wie er hinzufügte: „Wir respektieren jeden Gegner, als ob er der beste wäre.“

Noch unkomplizierter begegnet man der Angelegenheit in der Sportpresse. „Das nenne ich ‚Road to Berlin‘ “, jubelte in Anlehnung an das Uefa-Turniermotto der „As“-Redakteur Tomás Roncero, ein bekannter Prediger des Madridismus, nachdem er die Halbfinalauslosung verfolgt hatte: „Eine Autobahn in den Himmel“. Makrotendenzen und Mikroergebnisse sind im Fußball nicht immer deckungsgleich. Zweimal begegneten sich Real Madrid und Juventus Turin seit jener Zeitenwende von 1998 in K.o.-Runden. Beide Male siegten die Italiener. FLORIAN HAUPT