Alles eine Frage der Gewichtung

VOLKSBEGEHREN

560 Millionen würde es jährlich kosten, hätte das Mieten-Volksbegehren Erfolg

Über eine halbe Milliarde, genau 560 Millionen, würde es also jährlich kosten, wenn das Mieten-Volksbegehren Erfolg haben sollte. Jedenfalls hat das diesen Montag Finanzsenator Mathias Kollatz-Ahnen behauptet. Der SPD-Mann malte auch aus, was denn diese halbe Milliarde zusätzlicher Mietsubvention – eine Fünf mit acht Nullen dahinter – alles so bedeutet für den Landeshaushalt. Etwa, dass ein halbes Jahr lang das Geld für die Kitas fehlen würde oder doppelt so lang für die Finanzierung von Bus und Bahn.

Das kann man populistisch nennen, denn natürlich sind Kinderbetreuung und U-Bahn-Fahren neuralgische Punkte, und natürlich würde das Land nicht wirklich die Kitas dichtmachen oder den Nahverkehr stoppen Doch im Kern damit zu werben, sich mit einer Unterschrift und einem Ja auf dem Stimmzettel eine günstige Miete zu sichern, steht dem in Sachen Populismus um nichts nach.

Kollatz-Ahnen redet letztlich nur den doch sonst von Politikern immer geforderten Klartext, statt sich ebenso finanztechnisch weithin unverständlich über Verschiebungen und Verwerfungen in der Tektonik des Landeshaushalts auszulassen. Und er vergisst ja auch nicht, seine Zahlen zu belegen – genauso wie die Initiatoren des Volksbegehrens das bei ihren Kostenschätzungen von angeblich 150 Millionen machen.

Wirklich populistisch sind hingegen die, die sagen: Es ist doch genug Kohle da – man müsse ja nur sehen, wie viel Geld am BER verbrannt werde. Nur zur Erinnerung: Das ist genau das Geld, das Berlin jetzt schon fehlt, seine Schulden zu tilgen, Brücken zu reparieren oder genauso viel Erzieher pro Kitagruppe einzustellen, wie andere Bundesländer das vormachen.

Das die beiden Seiten bei ihren Kostenschätzungen so weit auseinander liegen, ist in der Natur der Sache begründet: Die einen wollen den Berlinern das Volksbegehren als bezahlbar erscheinen lassen, die anderen als unbezahlbar. Keiner lügt dabei wirklich – es ist nur eine Frage, wie man welche Punkte beziffert und hoch- oder runterrechnet.

Im Grunde ist es gut, dass nun die Extreme benannt sind, weil sich beide Seiten in den kommenden Monaten daran abarbeiten können, dem anderen Fehler nachzuweisen. Letztendlich ist alles eine Frage der Gewichtung: Wofür soll das weiterhin als Haushaltsnotlage-Land eingestufte Berlin Geld ausgeben? Für günstige Mieten für manche, vor allem die mit wenig Geld in der Tasche – oder eine weiterhin funktionierende Infrastruktur für alle? Beides in vollem Umfang ist nicht zu machen.STEFAN ALBERTI