LESERINNENBRIEFE
:

Die Waffen der Gemäßigten

■ betr.: „Beleidige nicht meine Generation“, taz vom 30. 4. 15

Aidin Halimi Asl liefert eine augenöffnende Beschreibung der Mentalität (auch) meiner Generation. Wir ziehen unsere Linie nicht zwischen Israel und Palästina, Ukraine und Russland, Islam und Christentum. Unsere Front verläuft zwischen denen, die Maß halten in Urteil und Tat, und denen, die „alternativlose“ Lösungen propagieren, immer gerne durch das Konstituieren innerer oder äußerer Feinde und deren Bekämpfung. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Entlang dieser Front kämpfen wir auch, nur eben mit den Waffen der Gemäßigten und Reflektierten. Dass es dabei weniger kracht und qualmt, liegt notwendigerweise in der Natur unserer Sache und sollte nicht mit mangelnder Entschlossenheit oder träumerischem Pathos verwechselt werden.

WILLI BAHRENBERG, Düsseldorf

Verödet

■ betr.: „Mall ganz anders“, taz vom 30. 4. 15

Wenn man nur Investoren das Feld überlässt und das mit Stadtplanung verwechselt, werden überall Einkaufszentren und Bürogebäude hingeklotzt, und die Innenstädte veröden. Genau so sieht es in Stuttgart aus. Das neue „Europaviertel“ sieht mit seinen riesigen, grauen Betonblöcken von Weitem aus wie ein Industriegebiet, das sich nahtlos an einen Bankenkomplex anschließt. In der Innenstadt gibt es zwar Hunderte von Quadratmetern freie Büroflächen, und in den Fenstern hängen Banner, die versuchen, diese zu vermieten, dennoch wurde neulich ein nagelneues Bürogebäude fertiggestellt, und in der Nähe des Breuninger-Kaufhauses hängen Pläne für das „Dorotheenquartier“. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Wertvoll

■ betr.: „Von wegen alt und grau“, taz vom 23. 4. 15

Großmütter hatten schon immer ein besonderes Verhältnis zu ihren Enkeln. Es ist heutzutage aber weniger die Aufbewahrungsfunktion, die eine Großmutter so wertvoll macht. Noch in den 90ern war ein „Schlüsselkind“ arm dran, wenn es keine Oma hatte, zu der es nach der Schule gehen konnte, wenn die Mutter arbeitete. Heute gibt es viel mehr Ganztagsangebote. Das Großmutterverständnis hat sich also geändert. Man sieht den Umgang mit den Enkeln eher als Bereicherung für beide Seiten, der liebevolle Umgang steht im Vordergrund, Großeltern haben in der Regel mehr Zeit und vielleicht auch mehr Geduld für die Enkel. Kindern ohne Großeltern entgeht ganz eindeutig etwas. ROTRAUD VON TREUENFELS, Karlsruhe

Alter lässt sich nur schätzen

■ betr.: „Röntgenuntersuchung ist zulässig“, taz vom 22. 4. 15

Zunächst zu den Begriffen: Mit welchen Methoden auch immer, das strittige Alter eines jungen Menschen kann nicht „bestimmt“ oder „festgestellt“, sondern nur geschätzt werden.

Die Legende unter dem Hand-Röntgenbild ist eine Falschinformation, denn das definierbare „Knochenalter“ stimmt mit dem chronologischen Alter nur gelegentlich überein, es kann nach unten und nach oben um zwei (bis drei) Jahre abweichen. Mit anderen Worten: Wenn das Knochenalter als „18 Jahre“ definiert wird, kann der betreffende Mensch von 16 bis 20, gelegentlich sogar von 15 bis 21 Jahre alt sein. Insofern hilft das Röntgen bei der Frage „Über oder unter 18?“ nicht weiter. Die Anwendung ionisierender Strahlen, zu denen die Röntgenstrahlen gehören, stellt jedoch eine Körperverletzung dar, wenn keine „rechtfertigende Indikation“ (§ 23 Röntgenverordnung) durch eine(n) approbierte(n) Ärztin/Arzt mit der Röntgenfachkunde gestellt wurde. Die Zustimmung durch den betroffenen jungen Menschen ändert daran nichts.

WINFRIED EISENBERG, Kinderarzt, Herford