Neue Meister

GALLERY WEEKEND Zum dritten Mal schon findet während des hauptstädtischen Kunstwochenendes der Galerientausch „I Amsterdam You Berlin“ statt

VON STEFAN HOCHGESAND

Die Tage rund um das Gallery Weekend sind neben der Berlin Art Week im Herbst der attraktivste Zeitpunkt des Jahres, um als Kunsthändler in Berlin zu zeigen, was man hat und wer man demzufolge ist. So kurz vor der Venedig-Biennale halten sich Sammler aus Dubai, Doha und New York in Europa auf. Das wissen auch die sieben holländischen Galerien, die sich bei der Schau „I Amsterdam You Berlin“ zum dritten Mal mit sieben deutschen Galerien zusammentun, um maximale Aufmerksamkeit auszulösen.

„In Holland arbeitet man traditionell stark projektbezogen“, sagt Kristian Jarmuschek von der Galerie Jarmuschek + Partner, einer der Berliner Initiatoren des Projekts. In Holland dächten die Leute schneller auf einer gemeinschaftlichen Ebene von Künstlergruppen und Galerienkooperationen. Wichtig bei der Wahl der Location, der entweihten St.-Johannes-Evangelist-Kirche: die Laufnähe zu anderen Hotspots des Gallery Weekends.

„Hidden Treasures“ heißt das Motto dieses Jahr. „In unserem Umgang miteinander sind die zehn Gebote schon versteckt “, erklärt Jarmuschek. Er zeigt drei seiner Künstler: den jungen estnischen Maler Paul Pretzer mit seiner Vorliebe fürs Tragikomische, den Maler und Grafiker Martin Noll sowie die Zeichnerin und Videokünstlerin Petra Lottje. Die drei bespielen gemeinsam eine Wand.

Petra Lottjes Zeichnungen hinterfragen dabei die Anwesenheit christlicher Werte und die Sieben Todsünden. Dabei arbeitet sie fast minimalistisch mit durchgehenden Linien, die einen oder mehrere Körper formen und manchmal auch den Raum andeuten. Individuelle Grenzen verschwimmen.

In Lottjes gezeigter Videoarbeit geht es um das Leben der Katharina von Bora und ihre Ehe mit Martin Luther. Das Ausgangsmaterial war eine TV-Doku. Lottje filterte Alltagspassagen, schnitt sie neu und bebilderte sie mittels Lippen-Synchro als Interviewsituation mit sich selbst. Bei „I Amsterdam You Berlin“ nimmt sie zum zweiten Mal teil. „Die Atmosphäre ist gut für Gespräche und Diskussionen und bestens, um langfristige Kontakte zu knüpfen oder aufzufrischen“, sagt sie.

„Man muss sich beim Gallery Weekend einfach sehen lassen“, findet auch Moni Siegfried von der Galerie Bart aus Amsterdam, die eine Dependance in Nijmegen hat, dicht an der Grenze zur deutschen Region Niederrhein. Siegfried hofft auch auf Kunden aus Deutschland. Auch Siegfried zählt zu den Gründern von „I Amsterdam You Berlin“, und sie gibt zu, dass strategische Gründe dabei eine Rolle spielten. Besonders ging es ihr darum, „das Kunstklima in Berlin zu erforschen“. Aber letztlich wären die Holländer einfach „verliebt in Berlin“. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Ländern: In Deutschland ist man als Meisterschüler viel stärker an seinen Professor gebunden, in den Niederlanden hat man stets mehrere Dozenten und wird breiter geschult.

Die Galerie Bart konzentriert sich auf junge, auch internationale Künstler, die eine niederländische Akademie besucht haben. „Keine einzige Akademie hat jedes Jahr phantastische Künstler, die wir haben wollen“, so Siegfried. Gerade richtig gute Fotografie sei zurzeit schwer zu finden.

Die Galerie Bart scoutet unter anderem an der ArtEZ in Arnheim, der Koninklijke Academie in Den Haag und der Rijksakademie in Amsterdam.

„Auf Messen wird es manchmal deutlich, dass der Verkauf bei den Niederländern mehr im Vordergrund steht“, gibt Moni Siegfried zu. „Wir schreiben die Preise mit einem Bleistift an die Wand.“ Dass in Berlin nicht gerade die reichsten Sammler wohnen, weiß sie längst – abschrecken lässt sie sich davon nicht. „Weil wir uns in Berlin vor Kuratoren, Agenten und Sammlern zeigen, kommen viele Kooperationen außerhalb Berlins zustande.“

Nach Berlin bringt die Galerie Bart diesmal Jisan Ahn aus Südkorea sowie die Niederländerinnen Stella de Kort und Femke Dekkers. Ahns Malerei zeigt halbversteckte Szenen und verschlungene Objekte. De Kort verwandelt eine Glühbirne zeichnerisch in eine ausgedehnte Landschaft. Und Dekkers’ Fotografien spielen mit dem Übergang von der zweiten zur dritten Dimension. Sie beinhalten noch Spuren ihres analogen Entstehens. „Das sieht am Anfang vielleicht etwas chaotisch aus“, sagt Moni Siegfried – wenn man genau hinschaue, könne man aber erkennen, wie präzise die Komposition sei. „Vielleicht ist das dann“, sagt sie, „der vergrabene Schatz“.

■ 1.–3. Mai, 12–19 Uhr, St.-Johannes-Evangelist-Kirche, Auguststraße 90, alle Informationen unter www.iamsterdamyouberlin.com