MARTIN KAUL ÜBER VERANTWORTUNG IN DER BND-AFFÄRE
: Das ist Chefinnensache

Einiges sieht danach aus, als könnten in der neuen BND-Spionageaffäre noch Köpfe rollen. Allerdings: Die Namen, die dabei genannt werden, lösen keines der Probleme, um die es in der Affäre geht. Als letzte Woche erste Details bekannt wurden, war umgehend der Name von BND-Chef Gerhard Schindler als mögliche Rücktrittsoption im Gespräch. Als sich später herausstellte, dass das Kanzleramt über die Probleme informiert war, rückte der frühere Kanzleramtsminister und heutige Innenminister Thomas de Maizière in den Fokus. Beide sind ohnehin angezählt. Wieso nicht einen von ihnen abservieren? Alles könnte so einfach sein.

Allein: Hinter der nun bekannt gewordenen BND-Affäre steckt offenbar ein systematisches Organisationsversagen des Bundeskanzleramtes. Es lag weder allein an Schindler noch allein an de Maizière, dass sich über Jahre hinweg eine eigenwillige Spionagekultur etablieren konnte. Die Verantwortung dafür liegt bei einem Kanzleramt, das es strukturell versäumt zu haben scheint, die eigene Rolle einer Fach- und Rechtsaufsicht effektiv wahrzunehmen. Die Kanzleramtsminister wechselten dabei, eine aber blieb: Angela Merkel.

Nun ist es in Deutschland nicht besonders populär, eine Kanzlerin zu attackieren, deren Zustimmungswerte auch ihren ärgsten Gegnern Respekt abverlangen. Doch geht es um politische Verantwortung, so kann die Bundeskanzlerin bei der Aufarbeitung dieser Affäre nicht aus Pietätsgründen geschont werden. Spätestens mit den Snowden-Enthüllungen 2013 mussten die NSA-Angriffe auf Deutschland zur Chefinnensache werden. Auch der Umgang mit den Ungereimtheiten beim BND musste und muss also Chefinnensache sein. Die Verantwortung für diese Affäre zu übernehmen sollte Angela Merkel also auch zugemutet werden.

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