Taliban lösen Bundeswehr ab

AFGHANISTAN Heftige Kämpfe zwischen Islamisten und Armee um Kundus, wo 10 Jahre lang deutsche Soldaten stationiert waren. Taliban kontrollieren bereits große Teile der Region

KUNDUS afp/epd/dpa/taz | In Nordafghanistan haben sich Soldaten am Dienstag heftige Gefechte mit Talibankämpfern geliefert, die auf die Stadt Kundus vorrücken. Nach Behördenangaben waren die Kämpfe im Norden nur sechs Kilometer von Kundus entfernt, wo bis zum Abzug der Bundeswehr im Herbst 2013 zehn Jahre lang deutsche Soldaten stationiert waren. Hunderte Aufständische standen vor der Provinzhauptstadt. Gekämpft wurde auch östlich und südlich von Kundus.

Die Taliban hatten am Freitag ihre Frühjahrsoffensive gestartet. Der Bezirksgouverneur von Imam Sahib, Imamuddin Kuraischi, sagte, die Taliban hätten mittlerweile den gesamten Bezirk umstellt. „Sie greifen uns aus drei Richtungen an“, sagte er. „Wir haben nicht genug Einsatzkräfte, um sie in Schach zu halten. Wenn keine Verstärkung eintrifft, wird der Bezirk an die Taliban fallen.“ Inzwischen hat die Regierung offenbar weitere Soldaten geschickt, die einige Taliban getötet haben sollen.

In Kundus selbst waren die Straßen am Dienstag menschenleer. Viele Geschäfte und Behörden waren geschlossen.

In Afghanistan war zum Jahreswechsel der Nato-geführte Kampfeinsatz nach 13 Jahren zu Ende gegangen. Am Folgeeinsatz zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte durch Ausbildung und Beratung sind etwa 12.000 Soldaten aus 40 Staaten beteiligt, darunter bis zu 850 Bundeswehrsoldaten. Ihr Feldlager in Kundus hatte die Bundeswehr 2013 an die afghanische Armee übergeben.

Im Streit über die Entschädigung von Opfern eines von deutschen Offizieren veranlassten US-Bombenangriffs auf einen Tanklaster in Kundus 2009 wird das Kölner Oberlandesgericht am Donnerstag verkünden, ob Deutschland Schmerzensgeld an Hinterbliebene zahlen muss.

Wie die Berliner Zeitung berichtete, stammt der vor einer Woche entführte deutsche Entwicklungshelfer aus Potsdam. Der 37-Jährige arbeite für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Region Kundus. Im Auswärtigen Amt sei ein Krisenstab eingerichtet worden. Die GIZ hat 125 aus Deutschland entsandte und mehr als 1.600 einheimische Mitarbeiter in Afghanistan.

Ausland SEITE 10