ULRICH SCHULTE ÜBER DIE NICHTEINIGUNG ÜBER DEN MINDESTLOHN
: Mach dich locker, liebe CSU!

CSU-Chef Horst Seehofer hat den Mindestlohn als profilierungsträchtiges Thema entdeckt. Der Bayer ist wild entschlossen, das Lieblingsprojekt der SPD dauerhaft zu instrumentalisieren, um sich als Schutzheiliger der Wirtschaft darzustellen. Seehofer ist ja Experte, wenn es um absurde Volten geht, und dieses Mal gibt er sich wirklich große Mühe.

Ganz wichtig ist dabei ein lautstarker Auftakt. Wer vor einem Koalitionsgipfel in der größten Boulevardzeitung gegen den „Kontrollwahn“ des Partners wettert, hat an einer Einigung kein Interesse. Seehofer geht es nur um sich selbst, ihn kümmert wenig, dass er den Mindestlohn im Koalitionsvertrag selbst unterschrieben hat. Und er schert sich auch nicht um die Millionen Menschen, denen die Reform das Arbeiten zum Niedriglohn erspart oder den entwürdigenden Gang zum Amt. Denn die wählen ja sowieso nicht CSU. Die SPD wäre verrückt, würde sie nachgeben und die Dokumentationspflicht für Arbeitgeber aufweichen. Es ist gar nicht so schwer, die Arbeitszeiten eines Angestellten zu erfassen, wirklich nicht – eine Excel-Tabelle reicht. Aber würde die Pflicht kippen, könnten die Behörden die Einhaltung des Mindestlohns kaum noch kontrollieren.

Überhaupt weist vieles darauf hin, dass der Mindestlohn in Deutschland gut funktioniert. Was hatten die Wirtschaftsverbände zuvor für Horrorszenarien verbreitet: Der Mindestlohn gefährde bis zu 900.000 Arbeitsplätze, hieß es, und er treibe diverse Firmen in den Ruin. Bis heute fehlt von solchen Effekten jede Spur, es trifft manchmal sogar das Gegenteil zu. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet für 2015 einen Beschäftigungsrekord.

Die Wirtschaftsverbände und die CSU sollten beim Mindestlohn eine Regel befolgen, die im ganzen Leben sehr hilfreich sein kann: sich einfach mal locker machen.

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