LESERINNENBRIEFE
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Intelligente Führungsspitze

■ betr.: „Der rechte Weg zur Macht“ von Ulrich Schulte, taz vom 25. 4. 15

Sehr geehrter Herr Schulte, wir wissen beide, dass die Führungsspitze der Grünen hochintelligent ist. Diese Führungsspitze sieht, dass mit neuen linken Argumenten angesichts der derzeitigen Vielzahl von linken Stimmen (LINKE, linke SPD, linke Flügel der CDU [nicht: CSU!], linke Flügel der Kirchen), mit weiterem sozialgerechten Argumentieren keine nennenswert größere Zahl von Stimmen für eine rot-rot-grüne Koalition zu gewinnen ist.

Mit den von Ihnen monierten CDU-affinen Parolen können die Grünen aber sehr wohl von den oben genannten „linken Flügeln“ aus CDU und Kirchen Zuwachs erwarten, der ihre Position in der rot-rot-grünen Koalition ab 2017 gegenüber der Linken stärken wird, ja, unter Umständen sogar eine SPD-Grünen-Koalition unter Duldung durch die Linke möglich macht. Da das Parteiprogramm und die Basis unverändert eindeutig sind, wird es der Grünen-Führungsspitze leicht fallen, sich von heutigen verbalen „rechten“ Verlautbarungen behutsam abzusetzen, weil ja nicht alles falsch ist, was Herr Kretschmann sagt. EBERHARD HIRSCHLER, Hannover

Illusionen waren groß

■ betr.: „Der rechte Weg zur Macht“, taz vom 25. 4. 15

Wer es bisher noch nicht wahrhaben wollte, zu welchem nach den politischen Fleischtöpfen gierenden Renegatenverein sich diese Partei entwickelt hat, kann es anhand dieser Bestandsaufnahme von Ulrich Schulte nachhaltig verinnerlichen. Der Beitrag zeigt auch, wie groß die Illusionen zu Zeiten einer Petra Kelly und eines Thomas Ebermann waren, bevor die Ralf Fücks, Rezzo Schlauch & Co. den Ton angaben. Grün getünchte Wirtschaftsliberale wie Christine Scheel oder der als politischer Mr. Hyde endlich „wichtig“ gewordene Exrebell Joseph Fischer gaben der Partei als einstiger Hoffnungsträgerin den Rest. Auf gesellschaftliche Veränderungen gerichtete Anstrengungen sind von dieser Gruppierung nicht mehr zu erwarten.

PETER MICHEL, Ravensburg

Harmloser dargestellt, als es ist

■ betr.: „Passage. Und nun das Meer“ von Mirco Keilberth, taz vom 25. 4. 15

Leider stellt die Reportage die Situation in Libyen harmloser dar, als sie ist. Viele Flüchtlinge kommen ins Gefängnis, werden dort bedroht und durch Nahrungsentzug gefoltert. Auch ist es nicht unüblich, dass die libyschen Wärter Flüchtlinge wahllos erschießen, um die anderen Gefangenen einzuschüchtern – oder einfach aus Rassismus, wie Augenzeugen meinen. Der einzige Weg aus der Gefangenschaft in Libyen ist eine Summe Geld, die bei jedem Gefangenen anders ist, abhängig von seiner Kleidung und davon, wie wohlhabend er vermutlich ist.

Doch auch wenn man nicht in Gefangenschaft gerät, ist das Leben in Libyen für Flüchtlinge unzumutbar und unmenschlich, was in der Reportage angedeutet wird. Ein großes Problem ist der Platzmangel. Neulich erzählte mir ein Freund, er habe sich mit so vielen Leuten ein kleines Zimmer teilen müssen, dass es nicht möglich war, auf dem Rücken zu liegen. Er habe auf der Seite schlafen müssen, manchmal im Sitzen, halb unter anderen Menschen begraben.

Auch verstehe ich nicht, warum sich die Reportage nur auf Flüchtlinge aus Westafrika bezieht. Auch aus Ostafrika fliehen viele Menschen über Libyen nach Europa, beispielsweise aus Eritrea.

Es ist nicht nur so, dass sich viel zu wenig um die Menschen in Libyen gekümmert wird. Unvorstellbar ist, dass viele der Menschen, die diese Strapazen auf sich nehmen, wieder abgeschoben werden, nachdem sie ihr Ziel Europa endlich erreicht haben.

FEE GRUPE, Mönchengladbach

Was hat das mit uns zu tun?

■ betr.: „Asyl. Ein bisschen mehr Hilfe“ von Sabine am Orde und Ulrich Schulte, taz vom 23. 4. 15

Jordanien: Der kleine Staat liegt östlich von Israel und ist weiter umgeben von Syrien, dem Irak und von Saudi-Arabien. In den letzten Jahrzehnten wurden nicht nur viele fliehende Palästinenser und Iraker, sondern seit 2011 auch mehrere Hunderttausend Syrer aufgenommen. Die Regierung in Jordanien spricht von bis zu 1,3 Millionen Syrern, bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 6,5 Millionen. Die UN gehen von etwa 600.000 syrischen Refugees aus.

Was hat das mit uns zu tun, fragt die EuropäerIn? Nun, vielleicht nicht zuletzt, dass wir recht wenige Menschen aufnehmen, während im Nahen Osten und in Afrika Millionen auf der Flucht sind. Und nicht zuletzt diese Menschen (aus Syrien und dem Irak) mit Booten versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. Warum schaffen wir es nicht, eine Million Flüchtlinge unter 500 Millionen Menschen in der EU aufzuteilen, wie das kleine Land Jordanien? Das wären immerhin nur 0,2 Prozent, bezogen auf die Gesamtbevölkerung der EU, und könnte für viele notleidende Menschen bedeuten, dass sie sich nicht auf die lebensgefährliche Reise in maroden Booten begeben müssen.

Stattdessen schlägt die Europäische Kommission einen Zehnpunkteplan vor, der zu acht von zehn Teilen aus verstärkter und eventuell militärischer Abschirm- und Abschreckungsarbeit sowie mehr Abschiebung besteht. Lediglich in den Punkten sechs und sieben ist die Rede von Sonderprojekten zur Verteilung der Flüchtlinge in Notfällen und einem Pilotprojekt zur Aufnahme von 5.000 anerkannten Flüchtlingen. In Jordanien wird über solche Zahlen sicherlich nur gelacht oder eben geweint werden können. ROBERT TIEDE, Gießen