Das Herz von St. Pauli

Er fehlte dem FC St. Pauli bei der 1:2-Niederlage in Heidenheim am Sonntag, wegen einer Gelbsperre. Und das ist ein Gefühl, an das sich St. Pauli wird gewöhnen müssen: Während der Woche wurde bekannt, dass Dennis Daube Hamburg verlassen und ab der kommenden Saison für Union Berlin auflaufen wird.

Das ist im Profifußball nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht der Zeitpunkt: Seine Mannschaft steckt im Abstiegskampf und ist durch die Niederlage in Heidenheim auf den letzten Tabellenplatz zurückgefallen. Die Berliner dagegen haben sich aus dem Ringen um den Klassenerhalt schon länger verabschiedet – und planen seit Wochen unter Hochdruck für die kommende Saison, in der endlich der Aufstieg in die erste Bundesliga angepeilt wird. Klar, dass Union eine bessere Verhandlungsposition hatte als St. Pauli, wo derzeit nicht einmal klar ist, ob man weiterhin in der Zweiten Liga spielen darf. Für Daubes Noch-Team ist es dennoch unglücklich, dass die Nachricht in dieser Phase der Saison öffentlich wird.

Denn Daube ist nicht irgendwer bei St. Pauli. Mit 14 kam er vor elf Jahren an den Kiez. Fußballerisch sozialisiert im nicht eben privilegierten Stadtteil Nettelnburg, ist er ein echter Hamburger Jung – als einziger St. Pauli-Stammspieler neben Jan-Philipp Kalla. Im Fußball wird ja heutzutage viel lamentiert über die Austauschbarkeit von Profis und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, sich mit einem Verein zu identifizieren. Bei einen Verein, der sich wie der FC St. Pauli als Stadtteilclub versteht, ist es besonders wichtig, dass wenigstens ein paar Spieler die Verbundenheit mit der Region leben.

Nicht nur deswegen trifft der angekündigte Abschied von Daube den Verein ins Herz. Der 25-Jährige war in dieser Saison endgültig zum Stammspieler gereift und verpasste bislang nur zwei Spiele. Er war die Konstante im defensiven Mittelfeld, brachte so etwas wie Struktur ins chaotische Aufbauspiel. Oft sah es so aus, als könnte man um den Mann herum eine neue Mannschaft bauen.

Vorher hatte er schwere Jahre erlebt, langwierige Verletzungen erlitten – und war oft Stammspieler nur dort, wo gerade einer fehlte. Manchmal muss er sich wie der Prophet gefühlt haben, der im eigenen Lande nichts gilt, wenn er sah, wer so alles für seine Position verpflichtet wurde.

Mag sein, dass das eine Rolle gespielt hat bei der Entscheidung, das Angebot zur Vertragsverlängerung auszuschlagen. Mag sein, dass er noch mal an der ersten Bundesliga schnuppern wollte, in der er schon 2010/ 11 ein paar Einsätze für St. Pauli hatte, und diese Chance in Berlin eher gegeben sah. Er selbst sagt dazu einfach nur: „Ich brauche mal eine Luftveränderung.“  JANK