LESERINNENBRIEFE
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Konservative Vorstellungen

■ betr.: „Flexible Arbeitszeiten für alle“ u. a, taz vom 23. 4. 15

Ich mag die Titelseiten der taz, weil sie frech und „anders“ sind. Über die heutige Titelseite der taz habe ich mich aber erschrocken: Soll etwa suggeriert werden, dass bei Teilzeitarbeit die Arbeit nur nebenher läuft und schlechte Arbeitsleistung die Folge ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei den engagierten Journalisten der taz jemand eine derartig peinliche, halbfertige Arbeit hinterlassen würde, weil es daneben Verpflichtungen in der Familie gibt. In unserem Unternehmen praktizieren wir seit mehr als zehn Jahren flexible Arbeitszeitmodelle, unter denen die Qualität keineswegs leidet. Ich fühle mich an konservativste Vorstellungen von Arbeit erinnert, die ich bei der taz nicht erwartet hätte.CHRISTINE MÜLLER, Braunschweig

Irgendwas kommt immer zu kurz

■ betr.: „Flexible Arbeitszeiten für alle“ u. a, taz vom 23. 4. 15

Vielen Dank für Ihre ehrliche Titelseite! Sie zeigt einfach, was hierzulande gerne wortreich vermieden wird, klar auszusprechen: Kinder und Beruf ohne Abstriche unter einem Hut geht nicht. So einfach ist das: Irgendwas kommt immer zu kurz. Auf der Arbeit nehmen einen die Kollegen nicht ernst als Teilzeitarbeiter und dem Kind gegenüber hat frau immer ein schlechtes Gewissen. Befriedigend ist das nicht. Ich habe meine Arbeitsstelle mit drei Kindern auf dem Land drangegeben, obwohl ich mir das noch vor zehn nicht vorstellen konnte. Es ist nicht zu schaffen, wenn ein wenig Lebensqualität dabei erhalten bleiben soll und frau gleichzeitig ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden will. SUSANNE GÜNTHER, Waldeck

Lokführer machen einen guten Job

■ betr.: „Die Paralleluniversen von Bahn und GDL“, taz vom 23. 4. 15

Der Bahnvorstand hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die GDL-Forderungen zu erfüllen, schließlich machen die Lokführer einen verantwortungsvollen Job, und sie machen ihn gut, im Gegensatz zum Vorstand, der – siehe Stuttgart21 – nur Scheiße baut. Das Einzige, was bahnseitig korrekt war, zumindestens für bahnerfahrene Fernreisende während des Herbststreiks, waren die Ersatzfahrplanangaben an den Automaten und im Netz, da konnte man sich drauf verlassen. ERNST SOLDAN, Norderstedt

Auf einer Insel der Seligen

■ betr.: „Stellt euch nicht so an!“, taz vom 24. 4. 15

Lieber Jan Feddersen, Ihr Artikel war ganz wunderbar und hat mir aus tiefster Seele gesprochen! In unserer Gesellschaft läuft bestimmt nicht alles ideal, aber angesichts der Kriege, Katastrophen und des Flüchtlingselends weltweit komme ich mir oft vor wie auf einer Insel der Seligen. Und dann stelle ich fest, dass manche Bekannte und auch die veröffentlichte Meinung auf kleinste Kränkungen reagieren, als hätte man die grundlegenden Menschenrechte verweigert. BIRGIT SCHMIDT, Kerpen

Akademisch bis lächerlich

■ betr.: „Stellt euch nicht so an!“, taz vom 24. 4. 15

Lieber Herr Feddersen, da schleichen Sie ja gaaanz vorsichtig um den heißen Debattenbrei herum, bloß keinen Shitstorm riskieren.

Es ist ja richtig, über gendergerechtere Sprache und politisch korrekte Begriffe zu diskutieren, aber viele der Ideen sind doch sehr akademisch bis lächerlich. (Professx für Weiblein und Professy für Männlein, oder wie?). Gerade Linguistx müssten doch wissen, dass sich Sprache nicht aus akademischen Zirkeln verändert, sondern aus des Volkes Maul. Mir hat ein Rechter mal ins Gesicht gesagt: „Was, Neger dürfen wir nicht mehr sagen? Na gut, dann gehen wir halt Schwarze klatschen!“ Das heißt, es ist nur die Oberfläche, die angepasst wird, aber nicht die darunterliegende Geisteshaltung. Bei diesen Debatten wird sozusagen um des Kaisers Barthaare gestritten, statt die Monarchie abzuschaffen. LUTZ ARNOLD, Bad Mergentheim

Genau SO stelle ich mich an!

■ betr.: „Stellt euch nicht so an!“, taz vom 24. 4. 15

Doch, Jan Feddersen, ich stell mich genau SO an! Und nicht, weil ich mich gekränkt, beleidigt oder sonst wie fühle! Schlicht und schnörkellos: Weil für mich Bewusstsein und Sein und damit die Chancen auf Veränderungen keine Nebenschauplätze sind, sondern elementare Bestandteile zusammenhängender (Haupt-)Schauplätze!

Deshalb: Auch Sprache verändert Bewusst-Sein! Und: Bewusst-Sein verändert Sein! Egal ob im „klein-klein“, oder „groß-groß“. Allein schon diese Bewertung und Hierarchisierung ist Teil der Machtstrukturen, auf denen Diskriminierungen, Ausgrenzungen, Abwertungen basieren.

SOlange diese vielschichtigen, offenen und subtilen Machtstrukturen Teil unseres Lebens, Denkens, Fühlens, Handelns sind, SO lange geht es nicht um subjektiv empfundenes „Gedöns“ und „Fehlerquoten“, sondern um unsere Auseinandersetzung und Fokussierung auf alle elementaren Bestandteile sogenannter Schauplätze! Was im Gestern an der künstlichen (und hierarchischen) Schaffung von Haupt- und Nebenwiderspruch schon falsch war, wird im Heute durch eine künstlichen Schaffung von Haupt- und Nebenschauplatz nicht richtiger! KATHY CZAJA, Düsseldorf