DAS WETTER: HAUSPHILOSOPHIE

Frau K. konnte alles, schier alles. Gewichte heben, Teleskope ausrichten oder philosophische Dispute mit ihrer Nachbarin Frau S. führen. Frau S. allerdings war eine arge Schlampe, die Frau K. bis zur Weißglut reizen konnte. Während einer Diskussion über das Sein und das Seiende und die Abhängigkeit des Seinsverneiners vom Seinsbefürworter betatschte sie das Geländer im Hausflur, das sie, Frau K., als akkurate Kraft gerade erst gereinigt hatte. Dieser Schein im Sein trieb Frau K. regelmäßig die Zornesröte in die zarten Wangen. Dann vergaß sie ihre Beweisführung und wischte lieber eilig nach, bevor Fettflecken und Fingerabdrücke der Frau S. das ganze Treppenhaus verunstalten konnten. Herr B. aus dem Erdgeschoss war schon einmal über diese Unzulänglichkeiten gestolpert, als seine Augen daran hängen geblieben waren – wohlweislich nur metaphorisch gesprochen, lächelte Frau K. in sich hinein, die angesichts der Unverschämtheiten der Frau S. das Gefühl nicht los wurde, dass ihre liederliche Nachbarin nichts, aber auch rein gar nichts konnte.