Die geheime EU-Regierung

FLÜCHTLINGSGIPFEL Ein paar Rettungsboote mehr, aber wenig Aufnahmebereitschaft: Die Beschlüsse der EU sind geprägt von Angst vor Einwanderung – und vor den immer stärkeren rechten Parteien

BERLIN/BRÜSSEL taz | Europas Rechtspopulisten geben zunehmend den Ton an, was die Lösung der Flüchtlingskrise im Mittelmeer angeht. Nigel Farage, Chef der rechten United Kingdom Independence Party (Ukip) in Großbritannien, forderte in einem BBC-Interview vor dem EU-Sondergipfel in Brüssel, Flüchtlingsströme mit der Kriegsmarine zurückdrängen, Fliehende zurückzuschicken und höchstens „ein paar Christen“ aufzunehmen. Geert Wilders, Chef der Freiheitspartei (PVV) in den Niederlanden, äußerte sich in einer Videobotschaft ähnlich und rief die EU auf, sich die rigide Abschottungspolitik Australiens zum Vorbild zu nehmen und alle aufgegriffenen Flüchtlinge zurückzuschicken.

Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National (FN) in Frankreich, erklärte am Donnerstag, die Lösung bestehe darin, „unsere Länder weniger attraktiv“ zu gestalten: Flüchtlingskinder dürften keine kostenlose Schulbildung und Gesundheitsversorgung erhalten und keine Sozialhilfezahlungen, sagte Le Pen auf einer Gala des US-Magazins Time in New York, wo sie als eine der „100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt 2015“ auftrat. Die einzigen anderen politischen Persönlichkeiten aus EU-Ländern auf dieser Liste sind Alexis Tsipras und Angela Merkel.

Ganz so weit gehen die Staats- und Regierungschefs der EU nicht, aber auch der EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise gestern in Brüssel stand ganz im Zeichen der Bemühungen, dass möglichst wenige Flüchtlinge überhaupt erst die Reise nach Europa antreten. Nach vorliegenden Überlegungen sollen lediglich 5.000 Menschen aufgenommen und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber soll beschleunigt werden. Parallel zu einer Ausweitung der Seenotrettung soll die EU laut Entwurf der Gipfelerklärung „systematische Anstrengungen“ unternehmen, um Schlepperboote noch vor der Abreise „zu identifizieren, aufzubringen und zu zerstören“.

Im Mittelmeer sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in diesem Jahr bereits mehr als 1.750 Flüchtlinge ums Leben gekommen. (mit afp) D.J., LKW

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