POSTANNAHMESTELLE
: Frauen in schwarz

Ich sage: Ja, immer schön flach halten, den Ball

Ich stehe in der Graefestraße vor dem Zeitungsladen, der auch eine Postannahmestelle ist, dessen Besitzer es aber nicht gerne sieht, wenn man seine Post bei ihm abgibt. Die Eignungsprüfung der Post hat er wahrscheinlich mit Glanz bestanden, denn auch die Post mag es nicht, wenn man Post bei ihr abgibt. Aber ich warte auf den Postabholer, der um 17 Uhr hier aufkreuzt, um den ungnädigen Blicken im Postladen zu entgehen. Ihm will ich meine Post direkt überreichen. Der Postabholer ist Pole und versteht kein Deutsch.

Er schafft die Postkisten aus dem Postladen und sieht mich verständnislos an, als ich ihn anspreche. Dann macht er die Tür seines Lieferwagens zu und fährt schnell davon. Ich trage meine Post nun doch in den Postladen, was ich eigentlich vermeiden wollte. Der Besitzer sagt, ich müsse so viel Post zwei Tage vorher anmelden. Ich sage, das Leben wird immer komplizierter. Der Besitzer sieht mich unfreundlich an.

Vor dem Laden stöckelt eine junge Frau ganz in Schwarz mit einem Hut und großer gewellter Krempe an mir vorüber. Ein unrasierter Mann, der streng riecht und sich im Zeitungsladen eine in Plastik verpackte Zigarre gekauft hat, bleibt stehen und sieht der Frau hinterher. Er sagt: „Mann, det klackert vielleicht, wa. Ick kann det Klackern nicht ab. Und der Hut, wa? Wer ufffallen will, mit dem is doch sowieso nix los.“ Ich sage: „Du hast doch auch einen schönen Hut auf.“ Er sagt: „Wat? Ick seh auch Scheiße aus?“ Ich sage: „Nein, dein Hut, der sieht doch auch nicht schlecht aus.“

Der Mann trägt eine braune Cordschiebermütze. Er sieht weiter der Frau hinterher, kichert und dreht die Zigarre zwischen seinen Fingern. „Meene Freundinnen ham nie so geklackert“, sagt er. „Denen hätt ick wat erzählt. Die hatten immer schön flache Schuhe an.“ Ich sage: „Ja, immer den Ball schön flach halten.“ KLAUS BITTERMANN