Auf dem Balkan wiegen alte Feindschaften schwer

SERBIEN Wegen eines bestehenden Haftbefehls gegen Kosovo-Außenminister Thaci muss eine Konferenz in Belgrad abgesagt werden

VON ERICH RATHFELDER

SPLIT taz | Eigentlich hatte eine Nichtregierungsorganisation in Belgrad, das „Jugend Erziehungskomitee“, eine große Konferenz ausrichten wollen. Es sollte um Verständigung und Versöhnung in der Region gehen. Doch jetzt musste die NGO das für den 24. April geplante Treffen, an dem Regierungsmitglieder aus mehreren Nachbarstaaten teilnehmen sollten, absagen.

Stein des Anstoßes war die Teilnahme des amtierenden Außenminister des Kosovo, Hashim Thaci. Der frühere Regierungschef und politische Chef der ehemaligen Kosovo-Befreiungsorganisation UCK musste befürchten, von der serbischen Justiz verhaftet zu werden. Immer noch liegt ein Haftbefehl gegen Thaci vor, der auf einem Urteil eines serbischen Gerichts in Prishtina aus dem Jahr 1997 fußt, als Thaci wegen Terrorismus in absentia zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Für die serbischen Strafverfolgungsbehörden spielt dabei keine Rolle, dass Thaci als ehemaliger Regierungschef führend an den Verhandlungen über die Unabhängigkeit des Kosovo im Jahre 2008 beteiligt gewesen ist. Mehrfach war er in diesem Zusammenhang mit hohen Repräsentanten Serbiens zusammengetroffen. Ihrerseits hatte es die Regierung im Kosovo hohen serbischen Funktionsträgern wie Premierminister Aleksandar Vucic und Präsident Tomislav Nikolic möglich gemacht, unbehelligt nach Kosovo zu reisen, obwohl beide die Unterdrückungsmaßnahmen des serbischen Staates gegenüber den Kosovoalbanern Ende der 90er Jahre gefördert hatten. Für die serbischen Behörden gilt das von über 100 Staaten anerkannte Kosovo jedoch immer noch als ein Teil des serbischen Staates.

In Kosovo amüsierte man sich über die Haltung Belgrads. „Wir erhielten weder ein klares Ja noch ein klares Nein für die Reise Thacis nach Belgrad“, erklärte der politische Berater der Kosovoregierung, Ardijan Arifaj. „Belgrad tut sich immer noch schwer mit dem Geist der Kooperation und des guten Willens.“

Nach den diplomatischen Gepflogenheiten hätte Belgrad sicheres Geleit für Thaci garantieren müssen. EU-Repräsentanten haben das in die EU strebende Serbien inzwischen aufgefordert, die Anklagen gegen Thaci fallen zu lassen. Doch die serbische Regierung reagierte nicht. Damit ließ sie die Konferenz platzen. Sprecher des „Jugenderziehungskomitees“ vermuten sogar, dass man die Konferenz absichtlich zu Fall gebracht hat. Die Reaktionen von serbisch-nationalistischer Seite jedenfalls waren entsprechend.

„Wir standen unter großem politischen Druck und wurden von einigen Organisationen und Personen direkt bedroht, um die Konferenz abzusagen“, erklärt die Organisation auf ihrer Webseite. „Wir erhielten wiederholt Drohungen von Extremisten. Wir nehmen diese Drohungen sehr ernst und haben die Behörden darüber informiert. Ich hoffe, dass dies alles untersucht wird“, erklärte eine Sprecherin.