Pöstchen hier, Pöstchen da

Wenn es um Parlamentsverkleinerung geht, zieren sich Regierende, während die Opposition Landtagskosten reduzieren will. Augenfällig wird das Geschacher spätestens nach dem Regierungswechsel. Zwei Lehrstücke aus Bremen und Niedersachsen

aus HannoverKai Schöneberg

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, sagen Politiker gerne, wenn sie von der Oppositions- auf die Regierungsbank wechseln. Anfang der 90er Jahre hatte die Bremer CDU immer wieder die Halbierung der Abgeordnetenzahl in der Bürgerschaft gefordert, um sich dann auf der Regierungsbank gegen die Forderung der – inzwischen oppositionellen – Grünen zu sperren, das Parlament auf 75 Abgeordnete zu verkleinern. Immerhin: Seit der Wahl im Mai hat Bremen nur noch 83 statt 100 Abgeordnete.

Ein ähnliches Spiel vollzieht sich derzeit in Niedersachsen. SPD und Grüne hatten sich vor dem Machtwechsel in einer Enquete-Kommission gegen eine Parlamentsverkleinerung gesperrt. Der heutige Innenminister Uwe Schünemann (CDU) forderte hingegen noch Anfang 2001 eindringlich, das Landesparlament von 155 auf 135 Abgeordnete zu verkleinern. Schnee von gestern. Am vergangenen Donnerstag kippte die Union um – seit dem 2. Februar stellt sie mit 91 Abgeordneten die Regierungsfraktion. „Wir werden mit dem Koalitionspartner FDP einen Zeitplan abstimmen“, sagte Bernd Althusmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. Vor den Wahlen im Jahr 2013 dürfte es also mit weniger Abgeordneten nichts werden. In der Politik ist es bis dahin ungefähr noch so lang wie bis zum nächsten Leben. Auch Grüne und SPD fielen um. Ex-Innenminister Heiner Bartling (SPD) setzte sich plötzlich dafür ein, den Landtag auf 121 Abgeordnete zu verkleinern. Und forderte sogar, ein bis zwei Ministerien abzuschaffen.

Die Grünen, nur noch mit 14 Parlamentariern vertreten, gehen nicht ganz so weit. Fraktionsvize Enno Hagenah will – wie einst die CDU – 135 Sitze im neuen Parlament, aber schon 2008. Überschaubare Wahlkreise auch in dünn besiedelten Gebieten und „eine regionale Repräsentanz auch der kleinen Fraktionen“ sind für die Grünen natürlich wichtig. Aber das Land müsse sparen, wir müssen etwas gegen die „drangvolle Enge hier im Saal“ tun. Inklusive 28 Überhangmandaten hat der Landtag Niedersachsens derzeit 188 Plätze. Viel zu groß, tönt der Bund der Steuerzahler. 100 Abgeordnete seien genug, so ließen sich 9,5 Millionen Euro im Jahr sparen.

„Die Frage, ob eine kleinräumige Vertretung den Parlamentarismus im Land stärkt oder nicht, ist in der Debatte ziemlich offen“, sagt Bernhard Blanke, Politologe an der Universität Hannover. Der „Bürger“ registriere ja kaum noch, was in seiner Landeshauptstadt gespielt werde. Blanke zweifelt zudem, ob die Parlamente von Kiel bis München überhaupt noch viel zu sagen hätten: „Das meiste wird doch durch Bundesgesetze geregelt.“ Wirklich effizient arbeiteten Landtage und Bürgerschaften kaum. Es gehe vielmehr um die nackte Macht. Blanke: „Pöstchen hier, Pöstchen da.“ Er hält sogar 80 Abgeordnete in Niedersachsen für ausreichend, um „regionale Repräsentanz und die Ausbildung von Führungspersonal der Parteien zu gewährleisten“.

Klar, dass der CDUler Althusmann der Opposition am Donnerstag „Unglaubwürdigkeit“ vorwarf: „Warum haben Sie die Chance, den Landtag zu verkleinern, nicht schon in Ihrer Regierungszeit genutzt?“, fragte er Richtung Opposition. Und: Das „Schöne“ sei, dass Grüne und SPD bei der anstehenden Verkleinerung mit der Union stimmen müssten, „weil Sie ja mit uns gebohrt haben.“ Fragt sich bloß, wann. Selbst mit der heutigen Größe arbeitet der Landtag in Hannover noch sparsamer als die Bürgerschaft in Bremen. Während hier derzeit auf einen Parlamentarier 8.000 Bürger kommen, sind es in Niedersachsen 42.000. Fast noch desillusionierender für die Bremer: Die Verkleinerung der Bürgerschaft bringt zwar pro Jahr fast 600.000 Euro Ersparnisse an Diäten und Aufwandsentschädigung – Sitzungsgelder nicht eingerechnet. Die sind aber längst von neuen Kosten aufgefressen worden. Das Hohe Haus an der Weser wird nämlich gerade umgebaut. Kosten: 4,7 Millionen Euro.