Träger schwiegen aus Eigennutz

Da das Kita-Finanzloch Senator Lange nun verschlungen hat, gilt der Blick jenen Akteuren, die das Kita-Desaster kommen sahen, aber aus Eigeninteresse schwiegen: die Trägerverbände, die das Kita-Gutschein-System im Juli 2002 parafiert und im April 2003 endgültig mit der Stadt vereinbart haben.

Die Verbandsvertreter wussten, dass das jährliche Kita-Budget bei zirka 300 Millionen Euro gedeckelt sein würde. Der unglaublichen Anhebung der Pflegesätze um mehr als zehn Prozent musste also eine Schrumpfung der Kitakapazität folgen, und zwar um ungefähr 5.000 bis 6.000 Kitaplätze. Die zwar pflichtbewusst kritisierten, aber zur Bezahlung der Pflegesätze letztlich nötigen neuen, unsozialen Bewilligungskriterien, die zirka 6.000 Kinder aus den Kitas entfernen, können nur dann ausgesetzt werden, wenn der Staat neues Geld in die Hand nimmt. Tut er das nicht, war den Trägern klar, kommt es zum Platzabbau.

Die Träger wussten auch um das erhebliche fiskalische Risiko durch die im Februar verhandelten Übergangsregelungen, die „gutscheinuntaugliche“ Kinder noch länger in der Betreuung halten. Dies verursacht hauptsächlich den fatalen Gutscheinstopp. Darauf wiesen die Kita-Träger im Frühjahr aber nicht hin, um ihr Verhandlungsergebnis nicht zu gefährden.

Die Kita-Verbände haben so sehenden Auges die sich anbahnende Katastrophe für viele Familien in der Stadt seit Juli 2002 größtenteils schweigend begleitet. Verbände vertreten eben Verbandsinteressen und nicht die der Familien. Das alte wie auch das neue Kita-System enthalten keine verfasste Elternmitbestimmung auf Landesebene. Die Eltern hätten die Einführung des Gutschein-Systems wahrscheinlich mit der Offenlegung der Gefahren verhindern können.

Die Träger erklären, dass sie die höheren Entgelte bräuchten, weil sie im Gutschein-System allein das Risiko tragen. Das ist eine Halbwahrheit. Die tatsächlichen Risiken müssen die Familien und nicht zuletzt die Beschäftigten tragen, nicht aber die Träger. Bekommen die weniger Kinder, entlassen sie eben Personal. Wird ihnen der Ansturm zu groß, weisen sie die Eltern ab. Die höheren Entgelte führen dazu, dass die Träger dasselbe Geld bekommen, obwohl weniger Kinder betreut werden. Einzig kleine Minikitas sind von Schließung bedroht, deshalb lehnen wir das Marktsystem auch ab.

Ein weiteres Argument sind bessere Personalschlüssel für Halbtags- und Hortbetreuung. Hier wäre jede kleinste Qualitätsanhebung zu begrüßen. Wir können in den Kitas hier aber keine Verbesserungen feststellen. Die Vereinbarungen zwischen Trägern und Stadt enthalten keine nennenswerte Qualitätssicherung. Es gibt weder Evaluation noch Stichproben-Kontrollen durch die Behörde. Ohne diese ist eine Standardanhebung rausgeschmissenes Geld.

Es kann nicht sein, dass das neue System bis zu 50 Millionen Euro mehr kostet und weniger Kita-Plätze bereitstellt. Deshalb müssen die Lenkungsgruppe und der künftige Senator Soltau die enormen Anhebungen auf ihre Plausibilität genauestens durchforsten.

MATTHIAS TAUBE

Freischaffender Künstler, Vater einer Tochter und Vorsitzender des 1999 gegründeten Hamburger Elternvereins „FamilienPower“