„Ohne den erhobenen Zeigefinger“

Größer und älter als die anderen: Das Bremer Institut für Familienplanung, eine Pro Familia-Tochter, wird 25 Jahre alt und feiert sich mit Sekt und einer Fachtagung zur Qualitätssicherung

Bremen taz ■ Das Bremer Institut für Familienplanung war vor 25 Jahren die erste Einrichtung in Deutschland, die Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch gleich wieder nach Hause entließ. Was in der heutigen Zeit des ambulanten Operierens eine Selbstverständlichkeit scheint, war damals eine Revolution. „Bis dahin haben Frauen, wenn überhaupt, in Krankenhäusern abgetrieben“, erinnert sich die Mitbegründerin und heutige Geschäftsführerin Hanna Staud-Hupke. Oft lagen sie nach dem Eingriff auf der Wöchnerinnenstation – „unter dem erhobenen Zeigefinger von Ärzten und Krankenschwestern“. An diesem Wochenende wird der historische Durchbruch von damals gefeiert – mit einem Fachkongress in Bremen.

Das Bremer Institut für Familienplanung ist bis heute das größte in Deutschland. Doch auch heute steht die Tür nicht einfach offen. Wer hinein will, muss klingeln. „Zur Sicherheit“, sagt Staud-Hupke. Ein Brandanschlag hatte die Belegschaft 1980 erschreckt. Jetzt seien die Ärzte nur noch selten Drohungen ausgesetzt. In der Gründungsphase sei die Einrichtung Ziel massiver Proteste von Kirche, konservativen Parteien und Bevölkerung gewesen.

„Wir wollen nicht mehr nach Holland fahren“ – unter diesem Motto protestierten Frauen Ende der siebziger Jahre gegen die Zustände in Deutschland, wo Abtreibung weiter absolutes Tabu-Thema war. Bestraft wurde die Abtreibung seit 1976 zwar nicht mehr, jedoch gab es kaum Ärzte, die bereit waren sie auch durchzuführen. Wenn eine Frau doch geschafft hatte, eine Abtreibung zu bekommen, erwarteten sie „mittelalterliche Methoden ohne psychologische Betreuung“, charakterisiert Staud-Hupke die Situation. Ein Team von Pro Familia habe in Holland geforscht und dort die ambulante Behandlung mit der neuen Absaugmethode kennen gelernt – eingebettet in Beratung. Es kam zurück und ging an die Arbeit.

Die Errungenschaften von damals sind heute noch Programm: Die medizinischen Räume sind, „soweit es die Hygienestandards erlauben“, nicht klinisch eingerichtet, sagt Staud-Hupke. Statt klobiger Krankenhausbetten gibt es im Ruheraum fünf Holzliegen, und die Decken sind mit geblümter Wäsche bezogen.

„Angstfrei“ soll die Atmosphäre sein, sagt die Geschäftsführerin. Intensive Beratung vor und nach der Abtreibung seien absoluter Schwerpunkt. Auch wenn eine Frau kurz vor dem Termin unsicher und ängstlich erscheine, werde sie begleitet, um den Druck von ihr zu nehmen.

Die Zahlen sprechen für sich: Von 2.839 Abtreibungen, die im letzten Jahr im Land Bremen vorgenommen wurden, hat zwei Drittel, nämlich 1.905, das Institut für Familienplanung durchgeführt. Die Zahl der Abtreibungen geht deutschlandweit zurück, und auch die Bremer Pro Familia verzeichnete vor 15 Jahren noch 3.077 Abbrüche. „Wir wollen die Abtreibungsrate weiter senken,“ sagt Staud-Hupke. Diesen Teil der Arbeit leiste das Beratungszentrum unter anderem mit offenen Gesprächsrunden für Jugendliche: „Es bringt gar nichts, Verhütung zu predigen ohne über Sex zu reden.“

Das Jubiläum begehen die MitarbeiterInnen des Instituts für Familienplanung mit einer zweitägigen Konferenz zu „Qualitätsstandards in der Schwangerschaftsabbruch-Versorgung“, die heute zu Ende geht. „Wir wollen die internationalen Standards aufzeigen“, sagt Staud-Hupke. Noch immer werde in manchen Praxen mit veralteten und „sehr schmerzvollen“ Methoden gearbeitet. Ch. Moser