Dem Himmel so nah

Bremen hat es geschafft: Nach langen Jahren der wilden Ehe wird der Stadtstaat endlich vom Vatikan völkerrechtlich anerkannt. Jetzt muss nur noch der Papst die Ratifizierung schaffen. Dann gilt auch für die Katholiken Religionsfreiheit

Bremen taz ■ Mild wiegte sich die zartgelbe Papstflagge am Rathaus, im Inneren wandelte Giovanni Lajolo die Treppen empor, umgeben von der Aura eines apostolischen Nuntius und Titularerzbischofs von Cesariana. Wo immer das liegt.

Bremen jedenfalls liegt im Gebiet des Bischofs von Hildesheim, Bremerhaven und Bremen-Nord gehören zur Diözese Osnabrück. Deren Bischöfe also waren auch zugegen als Lojola, die breite Bauchschärpe eine Spur pupurner als die der anderen, zum Werk schritt: die Unterzeichnung des Kirchstaatsvertrages, der das Verhältnis von Bundesland und katholischer Kirche in völkerrechtsverbindliche Normen bringt.

Bisher lebten Bremen und der Vatikan nach Gewohnheitsrechten – also in so etwas wie einer wilden Ehe. Ein nicht unbedingt angemessener Zustand für die 60.000 Katholiken des Landes, zumal evangelische Kirche und jüdische Gemeinde über entsprechende Verträge verfügen.

Anders ausgedrückt: Mit Bremen hat der Vatikan eine der letzten evangelischen Hochburgen geknackt. Jetzt sind nur noch Schleswig-Holstein und Hamburg ohne Vatikanvertrag. Dort hatte Schill noch vor kurzem die Parole ausgegeben, dass sich ein hanseatisches Knie vor gar keiner Kirche zu beugen habe.

In Bremen aber gilt seit gestern offiziell: Das Land „gewährleistet die Freiheit, den katholischen Glauben zu bekennen und öffentlich auszuüben“ – beileibe keine Selbstverständlichkeit. Im 17. Jahrhundert ließ der Senat sogar die Domtüren vernageln, um die katholische Minderheit am Abhalten ihrer Gottesdienste zu hindern. Erst ab 1806 durften Katholiken das Bremer Bürgerrecht erwerben. Freundlicherweise bezeichnete Nuntius Lojola bei seinem Eintrag in‘s Goldene Buch trotzdem als „Stadt, wo die Freiheit zu Hause ist“.

Ansonsten schreibt das Abkommen im Wesentlichen Vereinbarungen fest, die sowieso schon praktiziert werden: Der staatliche Einzug der Kirchensteuer, der gemeinsame Erhalt von „kirchlichen Kulturdenkmalen“, das Mitspracherecht im Studiengang Kirchenmusik an der Hochschule für Künste und die kostenfreie Übermittlung von Daten aus dem Melderegister. Neu dazugekommen ist die Gebührenbefreiung bei Baugenehmigungen, die etwa im Fall des kürzlich errichteten Brigittinen-Klosters einen immerhin fünfstelligen Betrag ausmachten.

Eine Kröte hat der Vatikan allerdings schlucken müssen: den konfessionslosen Religionsunterricht. Diese bundesweite Besonderheit hatte sich Bremen 1949 bei der Formulierung des Grundgesetzes bestätigen lassen, jetzt nimmt sie auch der Vatikan „zur Kenntnis“.

Bremen verzichtet dafür auf sein Recht, seinem Bischof einen Treueid abzunehmen – verschmerzbar angesichts der Tatsache, dass die Stadt zuletzt 1532 über einen eigenen katholischen Bischof verfügte.

Eine letzte Hürde allerdings muss das gemeinsame Werk noch nehmen: die Ratifizierung des Vertrages durch den Papst. Sollte dessen Unterschrift aus Gründen höherer Gewalt nicht zu Stande kommen, müsste die ganze Vertragsprozedur – analog zu den Verfahren einer Heiligsprechung – neu aufgerollt werden. Henning Bleyl