Auf Konflikte gut vorbereiten

Die Rechtsprechung ist tendenziell windkraftfreundlicher geworden. Durch die vorhandene Vielzahl an Urteilen wurde sie weitaus berechenbarer, meint der Stuttgarter Anwalt Michael Pohlmann

Widerstand von Nachbarn kann dazu führen, dass Windkraftprojekte verhindert oder zumindest verzögert werden. Bei nicht wenigen Projekten fällt die Entscheidung, ob gebaut werden kann oder nicht, am Ende vor Gericht. Ein Interview mit Michael Pohlmann, Anwalt im Stuttgarter Büro der Kanzlei Gleiss Lutz.

taz: Hat sich die Einstellung der Gerichte zur Windkraft gewandelt?

Michael Pohlmann: Nach meiner Erfahrung ist die Rechtsprechung betreiberfreundlicher geworden. Das ist zwar keine allzu stark ausgeprägte Tendenz, aber ein wenig ist sie trotzdem erkennbar. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung durch die Vielzahl der Urteile inzwischen deutlich berechenbarer geworden ist – auch das ist ein Vorteil für die Anlagenbetreiber.

Wo liegen die häufigsten Angriffspunkte, wenn Nachbarn wegen einer Windkraftanlage vor Gericht ziehen?

Der wichtigste Einzelpunkt ist zumeist der Lärm, gefolgt vom Schattenwurf. Der bekannte Disko-Effekt, der bei alten Anlagen durch die Spiegelung des Sonnenlichts verursacht wurde, spielt heute dagegen keine Rolle mehr. Moderne Anlagen haben Schutzbeschichtungen, so dass kaum noch Probleme entstehen.

Was ist das besondere Problem beim Lärm?

Windkraftanlagen verursachen manchmal Geräusche, die für Anwohner fremd sind. So wird häufig das so genannte Rotorblattschlagen beklagt, das auftritt, wenn die Rotorblätter am Mast vorbeistreichen. Es ist inzwischen aber anerkannt, dass Windkraftanlagen nach der TA Lärm zu beurteilen sind.

Wie ist es mit den Mindestabständen?

Einerseits gibt es baurechtliche Mindestabstände, die von der Höhe der Windkraftanlage abhängen. Wichtiger sind aber die Abstände, die für den Lärmschutz erforderlich sind. Hier ist die Rechtsprechung inzwischen – wie ich meine, zu Recht – von den anfänglich propagierten Pauschalabständen abgerückt. Heute werden Einzelfallprüfungen vorgenommen, wie sie auch in der TA Lärm vorgegeben sind. Einen allgemein gültigen Mindestabstand gibt es daher nicht.

Und beim Schattenwurf?

Da gibt es Kriterien, die zwar in keinem Gesetz und keiner Verordnung festgelegt sind, die aber in der Praxis weitgehend anerkannt werden. Danach darf ein Nachbar in einem Wohnhaus maximal 30 Minuten täglich und höchstens 30 Stunden jährlich durch Schattenwurf beeinträchtigt werden. Dies wird als Grenze des Zumutbaren angesehen. Ursprünglich waren diese Zeiten das Ergebnis einer Expertenanhörung im Umweltamt Schleswig. Die Rechtsprechung hat sie nach und nach übernommen.

Gerichtsverfahren sind für Anlagenbetreiber immer ärgerlich – selbst wenn die Bauherren Recht bekommen. Mitunter werden die Projekte hierdurch um Jahre verzögert.

Das ist für den Betreiber ein großes Problem, da hierdurch häufig die Finanzierung ins Wanken gerät. Nicht selten kann ein Baustopp das Projekt ganz zum Scheitern bringen. Aber die Rechtslage hat sich für den Bauherrn verbessert: Der Gesetzgeber hat 1998 festgelegt, dass der Widerspruch des Nachbarn gegen die Baugenehmigung keine „aufschiebende Wirkung“ mehr hat. Das bedeutet, dass in der Regel der Nachbar vor Gericht ziehen muss, um die Baueinstellung zu erreichen. Früher war dies umgekehrt: Der Bauherr musste sich vor Gericht das Recht erkämpfen, trotz eines Nachbarwiderspruchs zunächst weiterbauen zu können. Aber auch heute existiert noch ein erhebliches Risiko für den Betreiber. Es gibt immer wieder Urteile, in denen die Verwaltungsgerichte den Interessen der Nachbarn höheres Gewicht beimessen und das Projekt stoppen, bis es nach Jahren zu einer endgültigen Entscheidung kommt.

Was kann der Anlagenbetreiber tun, um seine Position zu verbessern?

Das Wichtigste ist, dass man sich frühzeitig auf die möglichen Konfliktpunkte vorbereitet und entsprechende Unterlagen vorweisen kann. Eine Lärmprognose und auch eine Schattenwurfanalyse können helfen, die Befürchtungen möglicher Einwender unter Umständen frühzeitig aus der Welt zu schaffen. Auch wenn das nicht funktioniert, kann man hierdurch seine Position vor Gericht verbessern und möglicherweise verhindern, dass ein Baustopp angeordnet wird. Vielfach verlangen heute bereits die Behörden solche Gutachten vor der Erteilung einer Genehmigung.

Neben der möglichen Beeinträchtigung der Nachbarn kann es auch Konflikte wegen öffentlicher Belange geben.

Wenn es zum Beispiel um Landschaftsschutz geht, ist das schwierig. Denn diese Fälle sind immer Einzelfallentscheidungen. Wenn besonders geschützte Bereiche wie zum Beispiel Naturschutzgebiete betroffen sind, hat der Bauherr in der Regel wenig Chancen. Ansonsten ist der Tenor, dass „besonders schwerwiegende Eingriffe“ zu vermeiden sind – das muss dann entsprechend ausgelegt werden.INTERVIEW: BERNWARD JANZING