Der Fisch, der seine Jungen verscheucht

Im Unterschied zur Hauptfigur des Films „Findet Nemo“ ist der Clownfisch kein treu sorgender Vater

Ein kleiner, orangegelb gestreifter Fisch ist der neue Kinoheld. Nemo heißt der nur wenige Zentimeter große Clownfisch, der als computeranimierter Hauptdarsteller wesentlich mit dazu beigetragen hat, dass der jetzt auch in unseren Kinos gestartete Film „Findet Nemo“ zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten avancierte. In den USA spielte Nemo innerhalb kurzer Zeit fast 400 Millionen Dollar ein.

Während es auf der Leinwand ein Happye End gibt, sieht das Leben von Clownfischen – wissenschaftlicher Name: Amphiprion ocellaris – in der Realität nicht so rosig aus. Denn die in den Gewässern vor Australien, Neuguinea, Melanesien und um die Salomonen sowie Vanuatu beheimateten Clownfische sind zum Überleben im Meer auf Korallenriffe angewiesen. Und die leiden seit langem unter Klimaveränderung und Schadstoffen im Meer.

Die bis zu elf Zentimeter groß werdenden Clownfische gehören zu der aus 27 Arten bestehenden Familie der Anemonenfische. Wenn sie nicht gerade als Zierfisch in einem engen Aquarium ihr Dasein verbringen müssen, leben die bunten Meerestiere in enger Symbiose mit einer auf den Korallenriffen haftenden Seeanemone. In deren giftigen Tentakeln sind sie geschützt vor Raubfischen. Eine chemische Tarnkappe bewahrt den Clownfisch davor, selbst zur Beute der Anemone zu werden. Nähert sich jedoch ein Polypenfresser, ein Falterfisch zum Beispiel, seiner lebenden Fluchtburg, stürzt sich der Clownfisch wagemutig auf den Feind und verteidigt sein Heim.

Und anders als im Disneyfilm, wo Marlin, der Fischvater, auszieht, um das Leben seines Sprösslings zu retten, spielen die männlichen Clownfische im realen Leben nur eine untergeordnete Rolle. In einer Seeanemone leben fast immer mehrere Clownfische gemeinsam. Der Chef aber ist immer weiblich. Äußerlich ist das ranghöchste Weibchen daran erkennbar, dass es immer größer ist als das Männchen. Bei den anderen Clownfischen handelt es sich um Jungtiere. und zwar nur männliche, die von den größeren Tieren, durch eine Art „soziale Unterdrückung“ am Wachstum gehindert werden.

Wird das Weibchen doch einmal Opfer eines Raubfischs, übernimmt das ranghöchste Männchen die Rolle der Chefin. Innerhalb weniger Tage verwandelt sich das Männchen in ein weibliches Tier. Eines der Jungtiere übernimmt dann die Rolle des Männchens und wird sichtbar größer.

Fürsorgliche Elterntiere sind im realen Leben der Clownfische unbekannt. Zwar übernimmt das Männchen die Brutpflege der auf einer Oberfläche abgelegten Fischeier. Doch unmittelbar nach dem Schlüpfen nehmen die Larven schnell Reißaus. Sonst werden sie zur Fressbeute ihrer eigenen Eltern. Um im Meer überleben zu können, müssen die sich nach ein bis drei Wochen aus den Larven entwickelnden Jungtiere schnell eine eigene freie Seeanemone suchen.

WOLFGANG LÖHR