„Urige Nacht im Audimax“

DAS ERSTSEMESTER Patrick Weißler

■ ist 21 Jahre alt und studiert im ersten Semester Politikwissenschaften und Philosophie in Halle.

Am letzten Mittwoch haben wir beschlossen, das Audimax zu besetzen. Da habe ich dann gleich da übernachtet, ohne Schlafsack und Zahnbürste, alles ein bisschen urig. Das hier ist mein erster Unistreik – ich bin ja erst im ersten Semester. Warum ich mitstreike? Ich war geschockt bei meiner Einstiegsvorlesung: Da war der Hörsaal so voll, dass ich gar nicht reingekommen bin.

Ein anderer Grund: Ich habe mich so auf mein Auslandssemester gefreut. Ich will nach Russland, Moskau oder St. Petersburg. Die Kurse von dort werde ich mir aber wohl nicht für mein Studium hier anrechnen lassen können – trotz Bologna-Reform. Dann würde ich die Regelstudienzeit überziehen und kein Bafög mehr kriegen. Das wäre übel, denn ich bin darauf angewiesen: Meine Eltern sind halt keine Akademiker, die sind Mittelstand. So gerne die mir mehr helfen wollen, sie können einfach nicht.

Ich war und bin bei den Jusos – aber daran liegt es nicht, dass ich jetzt beim Streik so viel Herzblut reinstecke. Ich sehe einfach jetzt den Moment, wo wir etwas verändern können. Vier, fünf Jahre sind rum und man kann gucken, wie die Bologna-Reformen umgesetzt wurden.

Klar mache ich mir Sorgen, durch den Streik viel Stoff zu verpassen. Eben weil ich es mir nicht leisten kann, zu trödeln. In meinem Zimmer liegt ein kleiner, lauernder Berg Bücher und Hefte, die ich noch lesen muss. Vielleicht klappt das ja über Weihnachten. Hoffentlich machen mir meine Dozenten keinen Ärger wegen verpasster Veranstaltungen! Aber viele von denen sind uns wohlgesonnen – die leiden ja auch unter den Reformen. Am Dienstag habe ich bei der Hochschulrektorenkonferenz in Leipzig protestiert. Heute ist wieder Uni dran. Darum muss ich jetzt schnell los – um noch rechtzeitig zu meiner Übung „Kanzlerpolitik“ zu kommen.