Rock und das wilde Leben

Eine Klage: Can you hear me, can you hear me/ Through the dark nights, far away…

Aber immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, kleine Taschenlampe brenn. Das kann auch die Rockmusik sein. Zu einer anständigen rockmusikalischen Sozialisation gehörte dabei mal die Ausfahrt nach Paris, um sich auf dem Père Lachaise mit billigem Rotwein zu betrinken, am Grab von Jim Morrison, der ja das offizielle Heiligenbildchen aller Pickelgesichter der Welt war und mit der Musik seiner Band, der Doors, dafür einstand, dass es schon klappen könnte mit der Faustregel: Rockmusik und lange Haare ergibt das wilde Leben. War es nicht wild genug, drehte man einfach die Musik lauter. Vielleicht wird jetzt sogar die Sitte mit dem Ans-Grab-von Morrison-Fahren wieder exhumiert, mit der neuen Doku „The Doors: When Your‘re Strange“, die gerade in die Kinos gekommen ist, selbst wenn einem sein schlichter Spaß an einfachen Wahrheiten in der Rockmusik schon lange verleidet wurde. Weil, neue Erkenntnis, es die einfachen Wahrheiten ja gar nicht geben soll und spätestens seit den Achtzigern die Musik und das Reden darüber als Denksport betrieben wurde in einem Popschach, in dem die Posen in immer neue Positionen geschoben wurden, natürlich alles ironisch gebrochen. Was dann auch Jim Morrison und die Doors mit ihren Mopedfahrerfans ziemlich in Misskredit brachte.

Ein wirklich böses Schimpfwort: ehrliche Rockmusik.

Weitere Verunglimpfungen: Rock. Stadionrock. Rock mit dem Schwitzfleck. Gitarrensolo. Joe Cocker.

In dieser Liga spielt auch Rod Stewart, der ganz früher mal bei den Faces sang, die eigentlich nichts anderes sein wollten als die Rolling Stones. Was dann einer von den Faces, Ron Wood, später sogar geschafft hat, ein Rolling Stone zu werden, während Rod Stewart stattdessen seine Platten verkaufte, millionenfach in der ganzen Welt. Als Person der Zeitgeschichte liest man von ihm eher auf den Boulevard-Seiten und weniger in der Fachpresse, der Rod Stewart bestenfalls als ein verlorenes Kind des Rock gilt. Was dann in den pflichtschuldigen Artikeln über ihn, wenn er mal wieder wo singt wie am Sonntag hier in der O2 World, unterschwellig als ein Verrat am Rock mitschwingt.

We are sailing, we are sailing/ Home again, ’cross the sea.

Rod Stewarts Megaerfolg „Sailing“ wurde übrigens von Gavin Sutherland geschrieben und auch von den Sutherland Brothers gesungen, die damit aber trotz mehrfacher Versuche keinen Hit hatten.

So einfach geht das nicht. Wobei man eigentlich schon wissen möchte, was der Rock denn so ist, heute. THOMAS MAUCH