leserinnenbriefe
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Chance vertan

■  betr.: „Das linke Dilemma“, taz vom 1. 7. 10

Seit vielen Jahren bin ich zwar relativ fest an die Grünen gebunden, aber den Positionen der Linken durchaus zugetan. Ein Grenzgänger sozusagen. Bis heute. Die Instinktlosigkeiten des heutigen Tages lassen persönliche Bruchstellen zwischen den Platzhirschen Gysi/Lafontaine auf der einen Seite und den rot-grünen Spitzen deutlich erkennen. Im Sinne einer verantwortungsvollen Politik für Land und Menschen hätte die Chance für ein Ende des neoliberalen Chaos nicht vertan werden dürfen. Angefressene Egomanen, übrigens auch Porsche fahrende Westgewerkschafter sollten in dem Land, in dem meine vier Kinder aufwachsen, besser im Hintergrund bleiben, statt den nachfolgenden Generationen den Weg zu erschweren. Meine Story mit den Linken ist durch. MARC LAUER, Barsinghausen

Der „Feind“ als lachender Dritter

■  betr.: „Das linke Dilemma“, taz vom 1. 7. 10

Déjà-vu: 70er Jahre, K-Gruppen-Debatten an der Uni. Es geht nur um die „richtige Linie“, ob der „Feind“ dabei als der lachende Dritte an Terrain gewinnt, gerät ins Vergessen. Den Linken haben wir also unseren neuen Bundespräsidenten zu verdanken. Und noch etwas ist mir aufgefallen: Wie ist das Selbstverständnis einer Fraktion des Deutschen Bundestages, wenn ihre Angehörigen noch nicht einmal unsere Nationalhymne mitsingen mögen? Die internationale Solidarität ist unablässlich, kann aber, wie sonst auch im Leben, ohne die notwendige Selbstliebe nicht funktionieren!

HANNE SKRODZKI, Hamburg

Linke sind kein Stimmvieh

■  betr.: Spannung vor dem dritten Wahlgang

Es ist ungeheuerlich, wie Regierungsparteien, Grüne und SPD die Linke unter Druck setzen, um „ihren“ Kandidaten im dritten Wahlgang zu wählen. Sie sprechen ihnen alles ab und merken nicht, wie würde- und anstandslos und undemokratisch sie selbst sind. Die Linken sind kein Stimmvieh, sie bestimmen selbst, was sie tun. Die Linke kann das, sie darf das, so muss das sein. Die anderen könnten von ihr lernen, aber sie tun es nicht. Sie erwarten von den Linken, dass sie den Kakao trinken, durch den sie gezogen werden. Gut, dass sie immun dagegen sind und es nicht tun. Sie würden mehr verlieren als gewinnen. KAROLA SCHRAMM, Lelystad, Niederlande

Hoffentlich ehrlich gemeint

■  betr.: „Schwarz-Rot-Gold? Eine multikulturelle Farbkonstruktion“, taz vom 1. 7. 10

So viel Naivität hätte ich der Redaktion taz, zumal sie in Berlin ansässig ist, nicht zugetraut. Stellen Sie sich einmal vor, die Türkei wäre mit ihrer Mannschaft bei der Weltmeisterschaft und würde, wie der Spielezufall es wollte, Gegner Deutschlands! Auch wenn diese Konstellation nicht zustande käme, glauben Sie wirklich, dann würden in den von Ihnen zitierten Stadtteilen mehr deutsche Fahnen hängen als türkische? Ich glaube noch nicht daran. Dennoch freue ich mich auch hier in NRW über jede deutsche Fahne an Gebäuden der Moscheevereine. Wollen wir nur hoffen, das diese Integrationsdemos auch ehrlich gemeint sind. RÜDIGER KEHL, Moers

Nicht alles super in Deutschland

■  betr.: „Schwarz-Rot-Gold? Eine multikulturelle Farbkonstruktion“

Durch einen Apartheid unterstützenden Hauptsponsor, sozialen Kahlschlag im Schatten der WM, massive Privatisierung öffentlicher Räume durch Fanfeste usw., gibt es genug Gründe, nicht „Super Deutschland“ singend durch die Straßen zu laufen und die bedingungslose Identifikation mit diesem Land zu fordern. Und ich kann nicht nachvollziehen, dass Fußball dieser Tage stets einseitig als Integrationsmotor beschrieben wird. Ihr Kommentar suggeriert, dass Migranten an ihrer mangelnden gesellschaftlichen Teilhabe in erster Linie selbst schuld sind und dass die Identifikation mit der multikulturellen deutschen Elf die Bereitschaft, sich in diesem Land einzubringen, erhöht. Sicher ist es toll, dass in der Nationalmannschaft Spieler mit und ohne Migrationshintergrund zusammen kicken, gleichzeitig kann die Berufung auf die Nationalelf dazu führen, dass unkritisch vermeintliche Integrationserfolge gefeiert werden und das Bild entsteht, dass jeder in dieser Gesellschaft die gleichen Chancen hat, Erfolg zu haben. Damit wird jedoch sowohl das Vorhandensein struktureller Diskriminierung als auch der gar nicht so integrative Normalzustand in deutschen Amateurligen schlichtweg missachtet. Da würde ich es doch eher so halten wie Pablo Alabarces in seinem Artikel über die Bedeutung des Fußballs in Argentinien: Entscheidend ist, was eine Gesellschaft abseits des Fußballplatzes unternimmt. MAX FRAUENLOB, Marburg