Verschleppt im Irak

JOURNALIST Der kurdische Fotograf Kamaran Najm war einer der wenigen, die den Vormarsch des Islamischen Staats im Irak dokumentierten. Seit Mitte Juni halten ihn die Extremisten gefangen

Najm gilt als eines der großen Talente des irakischen Fotojournalismus

AUS ISTANBUL INGA ROGG

Mindestens 56 Journalistinnen und Journalisten sind in diesem Jahr weltweit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden. Neben Syrien steht der Irak wie schon seit Jahren ganz oben auf der Liste der für Medienschaffende gefährlichsten Länder. Mindestens sieben Reporter wurden Opfer der Gewalt. Andere werden vermisst. Einer von ihnen ist der kurdische Fotograf Kamaran Najm.

Als sunnitische Extremisten, die sich heute Islamischer Staat (IS) nennen, ihren Siegeszug im Nordirak antraten, war der 27-Jährige einer der wenigen, die direkt von der Frontlinie berichteten. Am 12. Juni wollte er die Kämpfe zwischen den Extremisten und den Peschmerga, den Kämpfern des kurdischen Teilstaats im Nordirak, um die Erdölmetropole Kirkuk dokumentieren. Dann verschwand er. Zunächst kursierte die Nachricht, er sei in den Kämpfen getötet worden – dies bestätigte sich nicht. Aber er wurde verletzt und vom IS verschleppt. Seitdem halten ihn die Extremisten als Geisel fest, wie Kollegen der taz bestätigten.

Kamaran Najm gilt als eines der großen Talente des irakischen Fotojournalismus. Seine Bilder sind in den vergangenen Jahren in der Washington Post, Vanity Fair, The Times und der Financial Times erschienen. Najm gehört zu einer neuen Generation von Fotografen und Journalisten, die im ethnisch und konfessionell vergifteten Klima des Irak neue Wege gehen. Sie wollen sich nicht die Scheuklappen anlegen lassen, die ihnen die kurdischen, schiitischen oder sunnitischen Medien aufzuzwingen versuchen, sondern setzen auf Professionalität.

Im Jahr 2009 gründete Najm mit Kollegen im kurdischen Suleimania die Fotoagentur Metrography. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, aus allen Teilen des Landes zu berichten, nicht nur aus Kurdistan, das häufig wie eine Insel des Friedens im ständigen Strom der Gewalt wirkt. Najm selbst ist in den vergangenen Jahren mehrfach nach Bagdad gereist, um dort den Alltag von Schiiten und Sunniten zu dokumentieren. In Kirkuk, von wo er stammt, machte er Aufnahmen von einem angeblichen Terroristen, den die Sicherheitskräfte in der Haft schwer gefoltert hatten.

Obwohl er in Kurdistan lebe, müsse er als irakischer Fotograf auch Bilder vom Krieg machen, hatte Najm vor seiner Verschleppung gesagt. „Wir müssen über Breaking News berichten.“

Über Mittelsmänner haben Angehörige nach seiner Verschleppung im Juni versucht, mit den Extremisten zu verhandeln. Doch ein vereinbarter Gefangenenaustausch schlug nach Angaben von Verwandten fehl: Demnach setzten die Sicherheitskräfte von Suleimania elf IS-Kämpfer auf freien Fuß, trotzdem ließen die Extremisten im Gegenzug Najm nicht frei.

Journalisten als Feinde

Die Fanatiker des IS haben auch Journalisten zu Feinden erklärt. In den letzten Monaten haben sie mehrere syrische, irakische und zwei amerikanische Journalisten brutal ermordet. Es ist freilich nicht nur der IS, der Medienschaffende bedroht. „Viel zu viele Regierungen vernachlässigen ihre völkerrechtliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass Journalisten unabhängig und ohne Angst vor Angriffen oder Verfolgung ihre Arbeit tun können“, sagte Michael Rediske von Reporter ohne Grenzen (ROG).

Anlässlich des ersten Welttags gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten am Sonntag forderte ROG einen besseren Schutz, aber auch unabhängige Ermittlungen und Gerichtsverfahren.

In Suleimania hoffen Freunde und Verwandte, dass der IS Najm freilässt. Es werde Zeit brauchen, sagte ein Kollege der taz. „Aber wir sind voller Hoffnung.“