Isolierter Patriarch

VOLKSWAGEN Oberkontrolleur Ferdinand Piëch gelingt es nicht, Vorstandschef Martin Winterkorn abzusägen

AUS HANNOVER ANDREAS WYPUTTA

Im Machtpoker um die Leitung des Volkswagen-Konzerns hat Firmenpatriarch Ferdinand Piëch erst einmal verloren. Das Aufsichtsratspräsidium sprach Vorstandschef Martin Winterkorn nicht nur das Vertrauen aus – Winterkorn sei sogar „der bestmögliche Vorsitzende des Vorstands für Volkswagen“, heißt es in einer achtzeiligen Erklärung, die der Wolfsburger Konzern am Freitag verschickte.

Aufsichtsratschef Piëch hatte seinen langjährigen Vertrauten vor einer Woche angezählt: Er sei „auf Distanz zu Winterkorn“, ließ Piëch da über den Spiegel verbreiten. Winterkorn war die geringe Umsatzrendite von 2,5 Prozent der Kernmarke VW angelastet worden – Hauptkonkurrent Toyota schafft aktuell 8,6 Prozent. In der Kritik stand außerdem das schwache Auftreten des zweitgrößten Autobauers der Welt auf dem wichtigen wachsenden US-Markt, wo VW im Gegensatz zu Premiummarken wie Daimler Marktanteile verliert.

In der Öffentlichkeit galt der Abgang Winterkorns nach der Ansage Piëchs deshalb schon als sicher. Schließlich ist der gerade 78 Jahre alt gewordene Österreicher einer der Mächtigsten bei dem Weltkonzern, der mehr als 600.000 Mitarbeiter beschäftigt. Piëch ist Enkel des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche, führte die Konzerntochter Audi und von 1993 bis 2001 Volkswagen selbst. Außerdem hält der Clan der Porsches und Piëchs 51 Prozent der Konzernaktien.

Doch Piëchs jüngster Kurs war heftig umstritten. Spekulationen, der Maschinenbauingenieur wolle seine Frau Ursula als seine Nachfolgerin im Aufsichtsratsvorsitz installieren, wurden umgehend dementiert. Cousin Wolfgang Porsche bezeichnete Piëchs „Distanz zu Winterkorn“ als „Privatmeinung“.

Außerdem gelang es Piëch nicht, die Arbeitnehmerbank des sechsköpfigen Aufsichtsratspräsidiums auf seine Seite zu ziehen: Der gehören Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, sein Stellvertreter Stephan Wolf und der ehemalige IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber an. Osterloh und Winterkorn zeigten sich nach der Präsidiumssitzung jedenfalls demonstrativ einträchtig beim Fußballspiel des VfL Wolfsburg gegen Neapel.

Für Winterkorns Etappensieg entscheidend dürfte die Stimme des niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil gewesen sein. Schließlich hat sich Winterkorn bisher zur Produktion in Wolfsburg und Emden bekannt, wo VW eine ganze Region an der strukturschwachen Küste am Leben erhält. Ein Nachfolger könnte versuchen, zur schnellen Steigerung der Umsatzrendite in Niedriglohnregionen auszuweichen.

Der Machtkampf dürfte trotzdem weitergehen. „Noch ist kein Vertrag unterzeichnet“, meint etwa Ferdinand Dudenhöffer, der an der Universität Duisburg-Essen das Center Automotive Research leitet:

Bis 2016 stehe Winterkorn unter verschärfter Beobachtung: Sein Vertrag läuft erst dann aus. Er könnte noch einmal Piëchs Nachfolger werden – diesmal als Aufsichtsratschef.