„Die Konzentration fehlt im Kopf“

CHAMPIONS LEAGUE Die 1:3-Niederlage beim FC Porto bewirkt bei Bayern München vor allem Ratlosigkeit: Lag’s am Verletzungspech, an Überlastung oder waren’s bloß individuelle Fehler?

PORTO taz | Das Essen stand längst auf dem Tisch, da gab sich Karl-Heinz Rummenigge endlich einen Ruck und setzte zu seiner traditionellen Bankettrede an. Sie ist dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern München am späten Mittwochabend nicht leichtgefallen. Es hätte doch einiges zu kritisieren gegeben nach dem misslungenen Auftritt beim FC Porto. Genau genommen sogar sehr viel, aber darauf verzichtete Rummenigge. Er rang nach den richtigen Worten, versuchte abzuwägen und flüchtete sich deshalb in Einerseits-andererseits-Formulierungen.

„Ich tue mich ein bisschen schwer mit der Bewertung des Spiels“, gab er zu. Denn nach der 1:3-Niederlage im Viertelfinalhinspiel der Champions League ist eben noch nichts verloren, die Münchner können am kommenden Dienstag in der zweiten Partie gegen die Portugiesen die Scharte auswetzen.

Deshalb fand Rummenigge wohl, dass es wichtiger ist, dem Team Mut zu machen, statt die Finger in die Wunde zu legen.

„Ich habe großes Vertrauen in diese großartige Mannschaft und diesen großartigen Trainer.“ Dieser großartige Trainer Pep Guardiola kaute bei den Worten des Klubchefs lustlos auf seinem Essen herum. Er hatte zum zweiten Mal in seiner Ära beim FC Bayern eine herbe Niederlage hinnehmen müssen, aber anders als vor einem Jahr, im Halbfinale gegen Real Madrid, als dem Spanier Fehler bei Taktik und Personalwahl unterlaufen waren, sorgten dieses Mal drei individuelle Aussetzer für das Debakel.

Dass die Ballverluste von Xabi Alonso und Dante in der Anfangsphase, die zu den beiden Toren von Ricardo Quaresma führten, das Team so verunsicherte, ist angesichts der Bayern-Erfahrung doch erstaunlich.

Rummenigge traute sich dann im Bankettsaal des Sheraton-Hotels in Porto zu thematisieren, worauf zuvor die Spieler und auch Sportvorstand Matthias Sammer bewusst verzichtet hatten, nämlich die Folgen der Verletzungsmisere als einen der Gründe der Pleite anzuführen. Er wisse aus eigener Erfahrung, sprach der ehemalige Profi Rummenigge ins Mikrofon, „dass irgendwann der Tag da ist, an dem man ein bisschen kaputt ist, die Beine schwer sind und im Kopf dann auch die Konzentration fehlt“.

Vielleicht lag es an diesem Abend im Estádio do Dragão von Porto eher an einem Zusammentreffen unglücklicher Umstände, denn der dritte Verursacher eines Gegentors war mit Jérôme Boateng ein Profi, der am Samstag beim 3:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt gar nicht im Kader gestanden hatte, also halbwegs frisch gewesen sein müsste. „Das hat nichts mit Drucksituation zu tun oder anderen Dingen. Das sind Sachen, die passieren“, sagte Torhüter Manuel Neuer, der Glück hatte nach zwei Minuten wegen einer Notbremse gegen Jackson Martínez nicht die Rote Karte zu sehen. Schon eher ist die passive Spielweise in der zweiten Hälfte mit Substanzverlust zu erklären. Die Bayern schafften es nach dem Anschlusstreffer von Thiago nicht mehr, ihr Spiel durchzusetzen. „Wir haben zu wenig klare Chancen gehabt, um noch das eine oder andere Tor mehr zu erzielen“, weiß Neuer.

Tatsächlich hat Guardiola derzeit kaum Möglichkeiten zu variieren und neue Reizpunkte vor allem in der Offensive zu setzen, aber genau das wäre am Mittwoch dringend nötig gewesen.

Die Bundesliga-Partie am Samstag bei den kriselnden Hoffenheimern könnte da für die gestrauchelten Portugal-Reisenden gerade recht kommen.

Es sei wichtig, findet Sammer, „die Verarbeitung mit der nötigen Ruhe, aber auch Überzeugung anzugehen“. Dass den FC Bayern große Niederlage wie die in Porto stärker machen können, haben diese Spieler schon ein paar Mal gezeigt. „Wenn man eine große Mannschaft sein will, muss man in der Lage sein, das wegzustecken“, sagt Sammer. Ein 2:0 würde den Münchnern im Rückspiel schon genügen, um doch noch ins Halbfinale einzuziehen. „Es wäre kein Fußball-Wunder“, weiß Thomas Müller. „Aber ein Spaziergang wird es nicht.“ ELISABETH SCHLAMMERL