Mach’s noch einmal, Bruno

TRAINERWECHSEL II Mit dem in Hamburg schon einmal gescheiterten Labbadia will der HSV den Abstieg in die Zweite Liga verhindern

HAMBURG taz | Bruno Labbadia soll den Hamburger SV vor dem Abstieg aus der ersten Fußball- Bundesliga bewahren. Als der HSV das am gestrigen Mittwochmorgen bekannt gab, stand der neue Trainer bereits auf dem Trainingsplatz. Am Mittag sagte er in einer Pressekonferenz: „Siebter Platz in der Bundesliga, Europa-League-Halbfinale – da hatte ich noch eine Rechnung offen.“ Das nämlich war die Bilanz, mit der der Trainer Labbadia vor fast genau fünf Jahren gefeuert worden war, nach nur neun Monaten – beim HSV. Die Zeiten haben sich geändert. Labbadias Bilanz liest sich mittlerweile wie eine Erinnerung an goldene Zeiten. Beim HSV geht es mittlerweile ums nackte Überleben.

Das sollte eigentlich Sportdirektor Peter Knäbel sichern, der vor drei Wochen Trainer Joe Zinnbauer entlassen und sich selbst zum Nachfolger ernannt hatte. Auch nach zwei desaströsen Auftritten in Leverkusen und gegen Wolfsburg und dem Sturz auf den letzten Tabellenplatz, auch nachdem sich in der Halbzeitpause die HSV-Spieler Valon Behrami und Johan Djourou einen handfesten Faustkampf geliefert hatten, hielt HSV-Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer an der Marschroute fest, dass in dieser Saison kein weiterer Trainer geholt würde. Es wäre der vierte gewesen. Drei Tage später nun die Kehrtwende.

„Die Lage hatte sich geändert“, sagt Beiersdorfer zur Erklärung, nachdem sich herausgestellt habe „dass die Gespräche mit Thomas Tuchel nicht weiterzuführen waren“. Beim HSV hatten sie seit geraumer Zeit auf ein Engagement des begehrten Trainers gesetzt und offenbar weit fortgeschrittene Verhandlungen geführt. Tuchel sollte das Herzstück eines Neuaufbaus beim HSV werden, hatte aber mit seinem Ex-Club Mainz 05 vereinbart, das er erst in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga arbeiten würde. Deshalb sollte Knäbel den Platz für ihn warmhalten und irgendwie den Abstieg verhindern. Nun hat Tuchel offenbar abgesagt und wird als Nachfolger für den Dortmunder Trainer Jürgen Klopp gehandelt.

Damit war der Weg frei für ein Engagement von Labbadia über das Saisonende hinaus. Offenbar hatte der HSV ihn auch als Interimstrainer angefragt, das hatte er aber abgelehnt. Nun ging alles ganz schnell, telefonisch wurde man sich einig, am nächsten Morgen stand er auf dem Platz.

Er muss nun allerdings mit dem Makel leben, nicht die erste Wahl gewesen zu sein. Vorstandschef Beiersdorfer betonte bei seiner Vorstellung mehrmals, Labbadia sei „im Moment der richtige Mann“, der mit seiner Emotionalität im Abstiegskampf neue Impulse setzen könne. Auch die Vertragsdauer bis Juni 2016 ist nicht mehr eine lauwarme Vertrauensbekundung. Der Vertrag soll ausdrücklich sowohl für die erste als auch für die zweite Liga gelten.

Dabei passt Labbadia eigentlich perfekt: er kann gut mit Beiersdorfer und kennt den Verein gut. Labbadia ist nach seinem Rauswurf 2010 sogar in Hamburg wohnen geblieben. „Ich liebe diese Stadt“, sagte er artig. So was hören die schwer lokalpatriotisch veranlagten Hamburger gern. „Aber das hätte fast eher dagegen gesprochen“, fügte Labbadia hinzu. Er habe es genossen, sich in den vergangenen Jahren völlig frei in der Stadt zu bewegen.

Das ist nun erst einmal vorbei. Schon für den Nachmittag seines ersten Arbeitstages setzte der neue Coach ein Kurztrainingslager bis Freitag an, in dem er „vor allem die Köpfe frei kriegen“ will. „Und dann am Sonntag raus und Derby gewinnen.“ Da muss der HSV beim Nordrivalen Werder Bremen antreten.

Für die mittelfristige Strategie von Beiersdorfer und Knäbel für den kürzlich zur AG umfirmierten HSV ist die Verpflichtung von Labbadia als sechstem HSV-Trainer in zwei Jahren ein Rückschlag. Gesucht war eigentlich ein konzeptstarker Trainer, der die Mannschaft allmählich entwickelt. So einer wie Thomas Tuchel eben. JAN KAHLCKE