Klimaschutz auf dem Papier

UMWELT Senator Geisel (SPD) präsentiert ein Energiewendegesetz ohne genaue Festlegungen. „Peinlich“, meinen die Grünen. Auch die CDU zeigt sich nicht angetan

■ Auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der Württembergischen Straße in Wilmersdorf ist am frühen Dienstagmorgen ein Brandanschlag verübt worden. Nach Darstellung von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zündeten bislang Unbekannte vor dem Eingang zwei mit Benzin übergossene Autoreifen an. Dadurch zerbarst eine Glasscheibe, die Fassade wurde zum Teil beschädigt. „Das ist kein Dumme-Jungen-Streich gewesen“, sagte Geisel, „da ist schon von einem konkreten Anschlag auszugehen.“ Der Eingang war nach seinen Angaben wegen Bauarbeiten feuerfest eingerüstet – „der Schaden hätte sonst erheblich größer sein können“. Das Motiv sei offen, sagte Geisel, der seinen Dienstsitz in einem anderen Gebäude seiner Senatsverwaltung hat, „aber das bereitet uns schon Sorge“. Der Staatsschutz ermittele. (sta)

VON STEFAN ALBERTI

Der rot-schwarze Senat hat unter großer Kritik am Dienstag einen neuen Versuch für ein Energiegesetz vorgestellt. Der Entwurf von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) trifft dabei nicht nur auf Widerstand bei Oppositionspolitikern, sondern auch bei der CDU. Auf Schwachstellen weisen zudem der Mieterverein und die Industrie- und Handelskammer (IHK) hin. Der bislang letzte Versuch, damals als Klimaschutzgesetz, war 2010 unter der damaligen Umweltsenator Katrin Lompscher (Linkspartei) gescheitert.

Der angestrebte und nun „Energiewendegesetz“ betitelte Text soll vorrangig den schon länger erhobenen Anspruch, Berlin bis 2050 klimaneutral zu machen, in Gesetzesform gießen. Unter klimaneutral versteht man, schädigenden Schadstoffausstoß entweder zu vermeiden oder auszugleichen. Anders als sein Vorläufer beschränkt sich der Entwurf auf einen Rahmen, der noch zu füllen ist. „Wir sind aus Erfahrung klug geworden“, sagte Geisel. Deshalb trenne man in das formale Gesetz und ein paralleles Energie- und Klimaschutzprogramm, das er bis Jahresende vorstellen will. „Wenn wir die gesetzliche Zielstellung mit Details überfrachten, bekommen wir gar kein Gesetz“, so Geisel.

Exsenatorin Lompscher erscheint das zu zaghaft. „Der große Wurf, der damals gescheitert ist, nämlich Wohngebäude einzubeziehen und Private zu Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten, wird hier gar nicht erst versucht“, sagte sie der taz.

Heftiger fällt die Kritik des Grünen-Abgeordneten und Energiexperten Michael Schäfer aus. Der Entwurf von Geisel sei eine „peinliche Nummer“, weil keine einzige konkrete Klimaschutzmaßnahme enthalten sei. Darin werde der Senat lediglich auf Programme, Konzepte und Berichte verpflichte. „Alle diese Konzepte hätte der Senat auch ohne eine Gesetz aufstellen können, hat dies aber bisher verschlafen“, meint Schäfer.

Auch für IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder kommt das Thema in Berlin nicht voran: „Zu zäh“ seien die Abläufe zur Energiewende. Ein ganzes Jahr sei vergangen, seit betroffene Verbände um eine Stellungnahme gebeten wurden. Ein erster Entwurf an das Abgeordnetenhaus datiert von Januar 2014.

Der Berliner Mieterverein hält dem Senator zumindest zugute, dass die Klimaschutzziele nun in einem Gesetz festgehalten werden sollen. In jetziger Form aber werde das Gesetz „nur eine geringe Wirkung haben“, sagte Mietervereinschef Reiner Wild.

Viele Fragen offen

Ob der Gesetzentwurf überhaupt im Senat beschlossen wird, wenn der ihn voraussichtlich im Mai erneut behandelt, scheint auch noch nicht sicher. Zu hart fällt die Kritik des Koalitionspartners CDU aus, auch wenn sie nicht von einem christdemokratischen Senatsmitglied, sondern aus der Parlamentsfraktion kommt. „Der Gesetzentwurf lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet“, äußerte sich der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Matthias Brauner. „Es fehlt an Konkretisierungen, insbesondere im Bereich der Finanzierung und dem Bezug zum Energie- und Klimaprogramm, das noch erarbeitet wird.“

Zu den diskutierten Ideen und Überlegungen für das Energie- und Klimaprogramm gehören auch gestaffelte Parkgebühren. Dabei wären für größere, mehr Platz beanspruchende und meist umweltschädlichere Fahrzeuge höhere Gebühren fällig als für kleinere. „Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten hätte das Charme“, sagte Geisel. Technisch sei diese „schöne Idee“ aber derzeit nicht umsetzbar. Die CDU-Fraktion zeigte sich erbost und nannte den Vorstoß eine „verspäteten Aprilscherz“.