RICHARD ROTHER ÜBER DEN ERBFOLGESTREIT BEIM AUTOKONZERN VOLKSWAGEN
: Bizarres am Hofe zu Wolfsburg

Ein dürrer Satz, in die Presse lanciert – und bei Volkswagen, einem der wichtigsten Konzerne Deutschlands, ist nichts mehr, wie es lange schien. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Dass VW-Patriarch und Großaktionär Ferdinand Piëch mit diesen Worten Volkswagenchef Martin Winterkorn demontieren kann, mutet bizarr an. Schließlich ist VW keine Familienklitsche, in der der Eigentümer seine Manager nach Belieben heuern und feuern kann. Sondern ein Weltkonzern mit einer komplizierten Eigentümerstruktur, an dem auch das Land Niedersachsen beteiligt ist. Aber: Machtkämpfe und Intrigen sind selten schön, schon gar nicht am Hofe zu Wolfsburg.

Zwar erhielt Winterkorn prompte Unterstützung aus Hannover und vom Betriebsrat; auch ging die Miteigentümerfamilie Porsche auf Distanz zu Piëch. Dennoch ist das Ergebnis dieses Hahnenkampfs zwischen Aufsichtsratschef Piëch und Vorstandschef Winterkorn längst nicht ausgemacht, ist doch die Erfahrung der jüngeren Konzerngeschichte: Am Ende setzt sich Piëch durch. Der 77-Jährige dürfte auch jetzt, da er sein Erbe regeln will, seine Strippen längst gezogen haben. Dem Konzern, der Anfang Mai zur Hauptversammlung lädt, stehen unruhige Wochen bevor.

Das ist schade. Denn VW sollte die Zeit zu nutzen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Obwohl der Konzern derzeit sehr erfolgreich ist, sind die Herausforderungen groß: Mit der Stammmarke VW wird vergleichsweise wenig Profit gemacht, in den USA fehlen durchschlagende Modelle, und eine Strategie für eine Billigmarke fehlt. Zudem beruht der Erfolg immer mehr auf Absätzen in China. Das ist nicht ungefährlich. Wie schnell ein Land – aus welchen Gründen auch immer – plötzlich als Absatzmarkt wegbrechen kann, erfahren europäische Unternehmen gerade in Russland.

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