Alles in arabischer Butter

FESTIVAL Schon zum zehnten Mal findet in Bremen die „jazzahead!“ statt. Wie schon in den Vorjahren gibt es dazu ein großes Kulturfestival, das sich dieses Mal um Frankreich dreht

Paris besaß lange enorme Anziehungskraft für Jazz-Musiker, die hier bessere Arbeitsbedingungen vorfanden als in den USA

VON ANDREAS SCHNELL

Es ist ein Bonmot, das selbst schon ein bisschen aus dem Mund müffelt: Dass der Jazz nicht tot sei, sondern nur ein bisschen seltsam rieche. Gesagt hat das einst Frank Zappa. Und der? Ist tot. Aber wie steht es mit dem Jazz? Der erfreut sich offenbar bester Gesundheit. Wie sich an der Bremer Musikmesse „jazzahead!“ ablesen lässt, die dieses Jahr zum mittlerweile zehnten Mal stattfindet und längst zu einem der wichtigsten Treffpunkte der internationalen Szene geworden ist.

40 Showcases gibt es dieses Jahr auf der Messe und im Schlachthof, am Samstagabend finden im Stadtgebiet und darüber hinaus im Rahmen der „Club Night“ an 27 Spielorten Konzerte statt. Und auch sonst ist die „jazzahead!“ nach wie vor auf Expansionskurs: Diese Jahr findet die Messe erstmals in den Messehallen 6 und 7 statt, die größer sind als die bislang genutzten Räume.

Entscheidend geprägt wird das Programm seit fünf Jahren vom jeweiligen Partnerland der Messe. Diesmal ist das Frankreich, dass Laien vielleicht nicht auf Anhieb als Jazz-Land kennen. Allerdings entwickelte sich dort schon früh eine vitale Szene, unter anderem. Und schließlich brachte Frankreich einige der stilbildendsten Jazz-Musiker der Musikgeschichte hervor wie den Geiger Stéphane Grappelli und den Gitarristen Django Reinhardt. Zudem besaß vor allem Paris, wohl auch wegen seiner Lage mitten in Westeuropa, lange eine enorme Anziehungskraft für Jazz-Musiker aus den USA, die dort bessere Arbeitsbedingungen vorfanden als daheim.

Dass der französische Beitrag zum Jazz sich keineswegs in Django Reinhardt und Stéphane Grappelli erschöpft, lässt sich leicht belegen: In den Sechzigerjahren machte Jacques Loussier mit seinen Bach-Bearbeitungen Furore, Jef Gilson experimentierte in den Siebzigerjahren mit madegassischen Spielweisen, einer seiner Mitmusiker, der Geiger Jean-Luc Ponty, spielte auch in John McLaughlins Mahavishnu Orchestra, einer der wichtigsten Jazz-Rock-Formationen.

Und Richard Galliano machte den Jazz mit dem Akkordeon bekannt. Auf der diesjährigen „jazzahead!“ bestreitet er mit seiner Band das Gala-Konzert in der Glocke am 24. April – gemeinsam mit dem 30 Jahre jüngeren Vincent Peirani, Klarinettist und ebenfalls Akkordeonist.

Am vergangenen Donnerstag eröffnete nun das diesjährige, bereits fünfte Kulturfestival der „jazzahead!“ mit einem prominent besetzten Abend im Theater am Goetheplatz. Dass es beim Kulturfestival eben nicht nur um Jazz geht, spiegelte sich im Programm des Eröffnungabends. Pop, Jazz, Tanz, Slam-Poetry waren angesagt, und auf dem Goetheplatz hatte das sympathisch durchgeknallte Künstler-Kollektiv Toto Black aus Marseille einen mobilen Kiosk aufgebaut, an dem es Pastis und Rotwein gab sowie einen DJ, der alte französischen Hits spielte – von Vinyl und mit Ansage.

Den Abend im Theater am Goetheplatz eröffnete die Tanztruppe Black Blanc Beur, die heute (Samstag) noch einmal zu sehen ist. Ihr Stück „Paradoxe“ erzählt zu minimalistischen Beats von den Gegensätzen der modernen französischen Gesellschaft, die grundlegend anders als beispielsweise die deutsche auch nicht ist.

Dass es dabei trotzdem zu Übersetzungsfehlern kommen kann, bewies am Eröffnungsabend des „jazzahead!“-Kulturfestivals Moderatorin Lumma, als sie den Namen der Truppe mit „Schwarz, Weiß, Butter“ übersetzte. Damit unterschlug sie nicht nur zwei französische Buchstaben, sondern gleich auch noch die politisch programmatische Dimension der Compagnie: Das „Beur“ im Namen steht für die immigrierten Araber – und schreibt sich natürlich auch noch anders als die Butter, die, ein Blick ins Wörterbuch genügt, bei den Nachbarn „beurre“ heißt.

Das übrige Programm am Donnerstag spiegelte die Spannbreite des Kulturfestivals wider: Von elektrifiziertem Mainstream-Jazz vom Erik Truffaz Quartet über den französischen Singer-Songwriter-Pop der charmant exaltierten Sängerin Emily Loizeau bis zu einem deutsch-französischen Slam-Poetry-Doppel, das in Kooperation mit dem Literatur-Festival „Poetry On The Road“ zustande kam: Ex-Bremer Bas Böttcher, Urgestein der deutschen Slammer-Szene, hatte sich mit dem französischen Rapper und Bassist DJIZ zusammengetan, der sich auf seinem Twitter-Account betont unprätentiös mit „Nothing special“ einführt, um auf der Bühne mit halsbrecherischem Vortrag und anarchischem Schelmenhumor zum heimlichen Star des Abends zu werden.

Für eine Zugabe bat Truffaz ihn dann noch einmal auf die Bühne, wo er erneut subversive Wirkung entfaltete. Dass im Programm für derlei Aufsässigkeiten Platz ist, ist ein Grund mehr, sich auf die kommenden zweieinhalb Wochen zu freuen.

„jazzahead!“-Kulturfestival: bis 26. April im Stadtgebiet;

„jazzahead!“: 23. bis 26. April, Messehallen 6 & 7, Schlachthof

www.jazzahead.de