DAS DING, DAS KOMMT: Messe gönnt sich Asketen
Eine BRONZEBÜSTE Gandhis und deren Sockel sorgen in Hannover für Streit
Ausgerechnet er ist zu teuer: Über Mahatma Gandhi, den bescheidenen indischen Antirassismus- und Freiheitskämpfer, den 1948 ein fanatischer Hindu erschoss, erregt man sich jetzt in Hannover. Die Stadt hat zwar historisch nichts mit dem Organisator des legendären gewaltfreien „Salzmarschs“ von 1930 zu tun, schmückt sich aber gern mit ihm. Das kommt nicht von ungefähr, ist doch Indien diesmal Partnerland der Hannover Messe, und da kann man schön Symbolpolitik betreiben für die Granden aus Industrie und Politik.
So jedenfalls hatten sich Hannovers SPD und der Indische Verein das vorgestellt und sich vom indischen Staat eine bronzene Gandhi-Büste schenken lassen. „Gandhi ist ein schillerndes Vorbild für den Kampf gegen Rassismus“ und sei angesichts zunehmender Fremdenfeindlichkeit wichtig, argumentierte der Bürgermeister. Das sei Hannover-Bezug genug.
Allerdings, die Skulptur wird 50.000 Euro kosten, wovon 20.000 Indien zahlt und 30.000 Hannover – für den Granitsockel. Darüber gibt es Streit. Ein einfacher Betonsockel reiche, meinten einige Politiker, andere sprachen von einer „durchgeknallten Entscheidung“. Wieder andere fanden, man solle von dem Geld Hannovers marode Schultoiletten sanieren. Auch von einem Kriterienkatalog für den künftigen Umgang mit Gastgeschenken war die Rede.
Genützt hat es wenig: Der Rat stimmte geschlossen für die Skulptur; einziges Zugeständnis: Sie wird nicht prominent auf dem Opernplatz stehen, sondern im Maschpark. Dort wird sie am 12. April – einen Tag vor Eröffnung der Hannover Messe – Indiens Premierminister Narendra Modi enthüllen.
Ein paar PR-trächtige Gandhi-Fotos mit Hannover-Silhouette bringt das allemal. Mehr aber auch nicht, denn der kapitalismusfreundliche Kontext passt denkbar schlecht zur Botschaft des Asketen Gandhi. Von dieser Kluft zeugt auch das begleitende hilflos-folkloristische Kulturprogramm mit Indisch-Kochen, Indisch-Tanzen und so.
Pflegen wird die Büste übrigens nicht etwa die Stadt, sondern die Internationale Schule. Die will Gandhi jetzt auch im Geschichtsunterricht behandeln, der „sozialen Kompetenzen“ wegen. Da lernen die Schüler vermutlich auch, dass Gandhi jeden Kult um seine Person ablehnte und nicht einmal den Ehrennamen „Mahatma“ tragen wollte, den ihm der indische Philosoph Rabindranath Tagore verliehen hatte. Denn Gandhi wollte nicht als „Große Seele“ verehrt werden. Er war eine. PS
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