Tsipras auf diplomatischer Tour

VIEL LÄRM Griechenlands Ministerpräsident fordert Reparationszahlungen für Verbrechen des deutschen Faschismus während der Besetzung des Lands. Er reist nach Russland und verhandelt mit Putin. Deutsche Politiker sind empört, taz-LeserInnen bleiben gelassen

■ betr.: „Elf Milliarden für die Griechen“, taz vom 8. 4. 15

Geld aus einem Zwangskredit muss zurückbezahlt werden. Deutschland ist einfach nicht arm genug, sich dessen zu verweigern. Bedingungen daran zu knüpfen, wie dieses Geld verwendet werden soll, grenzt an kolonialistisches Denken. Das Geld wurde genommen zur freien Verfügung und muss auch so zurückfließen, und zwar realistisch verzinst.

Wenn in Deutschland Bedarf an Projekten für deutsch-griechische Verständigung besteht, sollte das Problem innerhalb Deutschlands finanziell geregelt werden.

Ein Problem mit den „Griechen“ per se scheinen die deutschen Medien zu haben. Dargestellt als geldschluckende Monster, die immer noch mehr wollen, steckt man doch besser die Geldbörse weg, wenn einer von denen in Sicht kommt. Von der taz wünschte ich mir mehr Verständnis und intellektuelle Auseinandersetzung mit der wachsenden Not eines großen Teils der griechischen Bevölkerung. Ab in den Hintergrund mit dem polemischen Herumgeeiere (siehe Sigmar Gabriel) und positioniert euch für die Menschen! REGINA EBER-HUBER, Neustadt an der Weinstraße

■ betr.: „Elf Milliarden für die Griechen“, taz vom 8. 4. 15

Griechenlands Forderungen nach Entschädigung für die deutschen Gräueltaten in der Zeit des Nationalsozialismus sind moralisch allemal berechtigt und, was den damaligen Zwangskredit von fast 500 Millionen Reichsmark betrifft, möglicherweise auch juristisch relevant. Deswegen sollte sich die deutsche Bundesregierung endlich ernsthaft mit dem Thema Reparationen befassen und darüber mit Griechenland in einen ergebnisoffenen Dialog eintreten. Das entspräche gewiss nicht nur dem Gerechtigkeitsempfinden, sondern könnte ebenso zu der inzwischen dringend gebotenen neuen Sachlichkeit im bilateralen Verhältnis beitragen.

Erst im Herbst letzten Jahres hat der vom Auswärtigen Amt eingerichtete deutsch-griechische Zukunftsfonds, mit dem Projekte zur Versöhnung und geschichtlichen Aufarbeitung zwischen Deutschland und Griechenland gefördert werden sollen, seine Arbeit aufgenommen. Eine Aufstockung dieses Fonds wäre ein ehrliches und sinnvolles Zeichen für historisches Verantwortungsbewusstsein und tätige Wiedergutmachung. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram

■ betr.: „Athen will 278,7 Milliarden Euro“, taz.de vom 7. 4. 15

Richtig so! Seit 1945 drückt Deutschland sich vor der Verantwortung für die unendlich entsetzlichen Verbrechen der Nazizeit. Die mörderischen Täter konnten ihre Karrieren nahtlos fortsetzen, die Konzerne ihre Gewinne aus Arisierung, Kriegswirtschaft, Ausbeutung eroberter Länder und Zwangsarbeit multiplizieren und die Opferländer gingen leer aus, müssen sich von Joachim Gauck warme Worte von Vergebung und Versöhnung anhören …

So geht’s nicht! Auch die Nachgeborenen, die gerne das Erbe ihrer Väter und Großväter angenommen haben, obwohl Blut und millionenfacher Terror und Mord dranhing, können sich ihrer Verantwortung nicht einfach so entziehen.

Leider hat die griechische Regierung sich nicht an das Beispiel Island gehalten und die verantwortlichen betrügerischen Banker einfach in den Knast gesteckt, denn das wäre auch noch eine diskussionswürdige Alternative gewesen.

KHALED CHAABOUTÉ, taz.de

■ betr.: „Große Geschichte, große Träume“, taz.de vom 8. 4. 15

Letzten Endes geht es um griechische Interessen. Tsipras bringt sich geschickt in Stellung. Er geht auf Russland zu, setzt sich zwischen die Stühle und die EU damit unter Druck.

Wozu soll er einen russischen Kredit ablehnen? Es funktioniert doch. Schon geifert Martin Schulz. Will die EU den russischen Einfluss verhindern, muss sie auf Griechenland zugehen. Wenn auch Schäuble trötet, er wird wohl kaum den Grexit machen, da das de facto nicht so einfach geht und außerdem ein Bruch mit der EU-Ideologie wäre. Zum ersten Mal verkleinerte sich die EU. Ein fatales Zeichen.

Also kann sich Tsipras hier etwas zurücklehnen. Geopolitisch, auch im Zusammenhang mit der Türkei, weiß Griechenland um seine wichtige Stellung und dass die EU/USA russischen Einfluss vermeiden wollen. FORNAX, taz.de

■ betr.: „Große Geschichte, große Träume“, taz.de vom 8. 4. 15

Bei Artikeln dieser Art muss man zwischen den Zeilen lesen, oder sich auf ganz wenige Kernaussagen konzentrieren, zum Beispiel diese: „So blieb Russland als Gegenpol zum Westen an der Ägäis immer präsent. Dies war nicht zuletzt der Grund dafür, dass Athen so schnell in die EU aufgenommen wurde.“ Genau, dies war der Grund … Und auch dafür, dass Rumänien und die baltischen Staaten überschnell in die EU aufgenommen wurden, was übrigens diesen Ländern keine Prosperität brachte. Die Feindseligkeit gegen Russland bleibt das Hauptmotiv dafür, dass die EU so obszön – und auch blutig – mit Georgien und der Ukraine flirtet. Was ist eigentlich aus der Idee des gemeinsamen europäischen Hauses geworden, in dem die Europäer und die Russen friedlich zusammenleben sollten? Herr Donath gewährt auch da Einblick:

„Auf jeden Fall trägt das Desinteresse des europäischen Zentrums dazu bei: Russland wurde in seiner Modernisierungskapazität überschätzt und sich selbst überlassen, Griechenland als Randexistenz für zu leicht befunden.“ Soll heißen: Das gemeinsame Haus wurde von der westlichen Hybris zerstört. Trotz der verheerenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bilanz der letzten 20 Jahre hält sich der Westen immer für einen Lehrmeister der Welt. Ein gefährlicher Größenwahn. F. VLADIMIROW, taz.de

■ betr.: „Gabriel nennt Forderung aus Athen ‚dumm‘“, taz vom 8. 4. 2015

Die schulmeisterliche Arroganz der Äußerung unseres Bundeswirtschaftsministers sei einmal außen vor gelassen. Wie schlau ist es, Fakten (die Zahlungsunfähigkeit eines Europartners) zu ignorieren? Wie schlau ist es, Realität (die gegenseitige Abhängigkeit der Währungspartner) zu negieren? Wie schlau ist es, einen Europartner in die Hände Putins zu treiben? Wie schlau ist es, „Hilfskonzepte“ fortzuführen, deren Unwirksamkeit, ja Kontraproduktivität, in fünf Versuchsjahren hinreichend belegt wurde? Wie schlau ist es, einen Europartner so weit auszuquetschen, dass er gezwungen ist, nach allen möglichen Finanzquellen zu suchen, und ihm, wenn er dies dann tut, Dummheit vorzuwerfen? Allen, die gerne ihre Dummheit bezüglich dieses Themas festigen möchten, sei die ZDF(!)- Sendung „Die Anstalt“ vom 31. März ans Herz gelegt. Die überwältigende Macht-Schlauheit unserer Bundesregierung lässt mir als dummem deutschen Staatsbürger keine andere Wahl: Ich distanziere mich ausdrücklich von solch schlauen Sprüchen wie dem unseres Ministers Gabriel und entschuldige mich dafür beim griechischen Volk und seiner demokratisch gewählten Regierung. (Steht mir zu, denn von mir geht ein 80-millionstel Gewalt aus.) THOMAS TILLMANN, Menden