Im Niemandsland der Jugend

„Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ ist ein preisgekröntes Anime von Mamoru Hosoda. Es erzählt von Makoto, die ihre Pubertät als magische Zwischenwelt erfährt

Makoto ist siebzehn. Sie ist ein dünnes, etwas tolpatschiges Mädchen, das immer zu spät in die Schule kommt. Sie stürmt durchs Leben mit diesem jugendlichen Energieüberschuss, der irgendwie ausgegeben werden muss. Beim Rennen schaut sie selten nach vorn, oft stößt sie mit anderen zusammen oder fällt hin.

Sie lebt im Niemandsland der Jugend, in dem man sich weigert, sich mit seinem Geschlecht zu identifizieren, aber dennoch (vielleicht umso mehr) todunglücklich ist, wenn die zwei Jungs, mit denen man so gerne nach der Schule Baseball spielte und über alles mögliche quatschte, plötzlich in Liebesgeschichten verwickelt sind. Man weigert sich, zu wissen, wieso das unglücklich macht. Man gehört nicht mehr zu den Mitschülerinnen, die Liebespaare auslachen, die sich schüchtern finden; aber auch noch nicht zu denen, die mit jemandem gehen, als Paar vereinzelt aus der Schar der Jugendlichen herausgetreten sind, unsicher, wie sie diese Rolle ausfüllen und mit ihren neuen Gefühlen umgehen sollen.

Diese Zwischenzeit ist so sehnsuchtsvoll und melancholisch, weil es sich um einen langsamen Abschied von der (Offenheit der) Kindheit handelt. Mamoru Hosodas preisgekröntes Anime, „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“, erzählt seine Pubertätsgeschichte mit Science-Fiction-Elementen, die im Chemieraum beginnt. Makoto fällt hin, verursacht bei ihrem Hinfallen chaotische Kettenreaktionen und kommt dabei mit einer Art Walnuss in Berührung, deren Bedeutung erst später geklärt werden wird. Als sie aufwacht, passieren unerklärliche Dinge. Sie rast mit dem Fahrrad auf einen Bahnübergang zu, die Bremsen versagen; sie fliegt über die Schranke auf die entgegenkommende U-Bahn zu. Doch statt zu sterben, erwacht sie wieder in dem Moment vor dem Unfall. Später erkennt sie, dass sie durch wilde Sprünge ins Ungewisse die Zeit zurückdrehen kann.

Ihre geheimnisvolle Tante erklärt, dass es vielen Mädchen in ihrem Alter so ginge. Makoto versucht nun, mit dieser neuentdeckten Fähigkeit zu arbeiten. Wenn eine Klassenarbeit nicht gutging, springt sie einfach zurück. Wenn’s um Menschen und Gefühle geht, sind die Folgen dieser Zeitsprünge (mit denen sie sich auch vor den Zumutungen des Erwachsenwerdens schützen will) aber unkalkulierbar und kompliziert. Das Aus-der-Zeit-Zurückspring-Thema wurde seit „Und ewig grüßt das Murmeltier“ häufig variiert. Dass es bei diesen Zeitsprüngen Logikprobleme gibt, liegt in der Natur der Sache, stört hier aber nicht weiter. Der Film ist realistisch und meist in eher zurückhaltenden blassen Farben gezeichnet. Das weite Baseballfeld, auf dem Makoto mit ihren zwei Freunden regelmäßig nach der Schule Baseball spielen, zitiert wiederum Haruki Murakami. Dem japanischen Autor war seine Berufung zum Schriftsteller auf einem einsamen Baseballfeld deutlich geworden, er hat das Erlebnis in einer Erzählung verwendet.

Besonders schön sind auch die Tempowechsel; wenn das Mädchen erst ungestüm rennt und danach unbewegt in der Badewanne liegt oder wenn sie verträumt dem Baseball nachschaut, wie er eine kleine Ewigkeit im Himmel zu verschwinden scheint. „Time waits for no one“ steht jeden Morgen auf der Tafel, wenn Makoto ins Klassenzimmer pest. Auch die verträumte Zeit dieses Sommers, in der sich die Zeit zurückdrehen ließ, vergeht. „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ ist ein schöner Unterhaltungsfilm für alle Generationen. Nur einmal ärgerte ich mich ein bisschen, als sekundenlang auf einem Handy der Schriftzug „Vodafon“ zu sehen war; weil das so unpassend in einem japanischen Anime wirkte. DETLEF KUHLBRODT

„Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“. Regie: Mamoru Hosoda, 94 Min., Japan 2007. Ab heute im FSK