urdrüs wahre kolumne
: Rettung für Karl & Rosa

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, lässt sich in so manchen Dingen partout nicht umstimmen.

In einem Ecklokal im Bremer Stadtteil Woltmershausen schiebt mir die Wirtin mit verschwörerischem Blick einen Bierdeckel zu, auf dem ich bestätigen soll, Mitglied des „Rauchervereins von 2008“ zu werden. „Wenn das alle im Lokal unterschrieben haben, können die uns überhaupt nix“, referiert die Wirtin euphorisch die Auskunft eines Stammgastes, der allerdings schon morgens um 11 so abgetreten wirkt, dass ich auf seine Rechtskenntnisse nur bedingt vertrauen mag. Ich äußere meine Bedenken, räume aber zugleich ein, Nichtraucher zu sein. Worauf das Leeren des bereits bestellten Bieres zu einem echten Spießrufenlauf wird, bei dem ich als Gesundheitsapostel, Denunziant und „wohl auch so einer“ beschimpft werde. Ein Grund mehr, das seltsame Süchtel-Bündnis zu verachten, das sich da dieser Tage zwischen Schwarzem Krauser, Cohiba und Marlboro zusammenfindet!

Immer trauriger wurde ich bei der Lektüre des taz nord-Beitrags über das Sterben der Hamburger Kneipe „Karl & Rosa“, in der ich mich einst nach einem völlig verkorksten Auftritt wieder in Stimmung trank und quasselte. Bei der Ursachenforschung aber kann ich womöglich auch jenseits marxistischer Kategorien weiterhelfen: Eine nach vorn weisende Gastronomie sollte sich zu schade sein, Fernsehbiere und Konzernprodukte zu verkaufen, sondern den antimonopolistischen Kampf über den Zapfhahn unterstützen. Gern vermittle ich den Kontakt zur Vertriebsabteilung der Schaumburger Brauerei und ihrer vielfach goldgekrönten Spezialitäten!

Dass Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander eine klassische Fehlbesetzung darstellt, weiß jeder Freund des Breitmaulfrosches. Dass er aber seine Unfähigkeit zur Polemik ohne zwingende Not dadurch preisgibt, er „wünsche Dorothea Steiner von den Grünen im nächsten Jahr einen schönen Urlaub bei den Seepferdchen und Palmen in der Südsee“, das zeigt, dass sein Stammtisch deutlich unter Normal Null steht. Warum nur müssen sich solche Leute nie Gedanken um den Mindestlohn machen? Sein trauriger Kumpel Walter Hirche versucht derweil vergebens, aus dem Ruf und Ruch zu kommen, er habe Zustechereien beim Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven mit den Bremer Kungelanten befördert – und das womöglich nur für eine Zusatzrente in Krabbensalat. Schämen allein reicht da nicht.

In der Silvesternacht bewegte ich mich nur für Sekunden über den heimischen Marktplatz in Rinteln, wurde dabei aber von einer Stiletto-Lady um die 30 gefragt: „Soll man Sie nun darauf ansprechen, dass Sie zwei verschiedene Paar Schuhe anhaben?“ Damit verriet sie mir, dass da jemand an mich dachte, Anteil nahm an meinem Schicksal und mich auf rechte Bahnen lenken wollte. Ein Jahr, das so beginnt – wird es nicht mit der Deutschen Meisterschaft für Werder Bremen enden müssen?

In Hannover bei den 96ern aber sind alle Tickets für das Bundesliga-Spiel gegen die Bayern schon ratzfatz ausverkauft an das Sponsorenpack und die Vip-Lounge-Verbrecher: Wer den gemeinen Fußballfan so behandelt, wird sich nicht wundern müssen, dass die gewinnen, die aus München schon hinreichend SchickiMicki-Erfahrung haben, weiß mit einiger Sicherheit ULRICH „Freistoß“ REINEKING