berliner szenen Im neuen Jahr

Lieblingscafé, perdu

Als wir am Donnerstag endlich das erste Mal im neuen Jahr aufgewacht sind, waren die Wasserleitungen zugefroren und wir mussten ins Café zum Zähneputzen. Auf dem Weg dorthin wäre der Hund fast überfahren worden, weil er immer so trödelt, wenn er über die Straße geht, und weil auf der Skalitzer Straße immer alle so schnell fahren.

Im Café wurde nicht mehr geraucht, deswegen roch es wohl nach Parfüm und Kinderkotze. Und der Tisch neben uns fand es überhaupt nicht interessant, ob man denn jetzt eigentlich noch kiffen dürfe oder nicht. Anstatt mit uns zu diskutieren, tranken sie Alkohol am frühen Nachmittag. Für Studenten ist das wohl genug Subversivität.

Mein Kaffee kam viel zu spät, vielleicht konnte der Kellner mich nicht verstehen, ich war ja immer noch heiser. Aber auch die Apfelschorle kam nicht, und die Hälfte des Essens auch nicht. Die Belegschaft war sauer, weil wir so viel bestellt hatten, und mir kam jetzt, wo hier nicht mehr geraucht wurde, das Chaos überhaupt nicht mehr cool, sondern nur noch unfreundlich vor. Rauchen verbieten, aber die alten, dreckigen Gläser und Teller nicht vom Tisch räumen!

Die Apfelsaftschorle dauerte zwanzig Minuten, und auf dem Strammen Max, der erst gar nicht kam, war später Pesto drauf, und das Ei war glibberig. Als J. der Teller durch seine kraftlosen Hände glitt und der Glibber sich über den Boden zog, freute sich wenigstens der Hund. Irgendwie war der Wurm drin, nur als J. im Netz nachsehen wollte, wie das Wetter werden würde, und sich vertippte, konnten wir ein wenig lachen: Unter weter.de wurde uns mitgeteilt, dass dort grad Deutschlands größtes Legasthenikerportal entstehe. Im neuen Jahr muss ich mir ein neues Lieblingscafé suchen. LAURA EWERT