berliner szenen Schöner Gruß von Bob!

Berliner Ensemble, Foyer

Berliner Ensemble. Das Foyer ähnelt einer Sardinenbüchse der edleren Sorte. Es ist die Premiere der „Dreigroschenoper“, Regie: Robert „Bob“ Wilson. Mein kleiner Bruder und ich haben von einer befreundeten Fotografin zwei Karten erhalten, die wir allerdings persönlich bei dem Regieassistenten abholen müssen, im Tausch gegen eine von uns mitgeführte Fototasche für „Bob“. So stehen wir nun ratlos zwischen abgewetzten Jacketts und exotisch duftenden Pelzmänteln. Mein Bruder wird von mir gezwungen, die Initiative zu ergreifen und er wendet sich an den nächstbesten Kartenabreißer. „Hallo, wir suchen Dings … den Assistenten von Wilms.“

Ich wende mich ab, nicht nur, um mein Lachen zu verbergen, sondern auch meine Scham über diesen Fauxpas. Der Herr spielt seinen plötzlichen Vorteil aus und degradiert meinen Bruder mit einigen Blicken zu einem ungebildeten Emporkömmling. Aber Blut ist dicker als Wasser, und so stauche ich den Überlegenen auf Normalmaß zurück, ich fühle mich schäbig.

Wilsons Assistent erscheint auf der Bildfläche. Es bildet sich eine Traube um ihn, Menschen brüllen ihre Kartenwünsche in Richtung des verschüchterten Jünglings, ich trieze meinen Bruder so lange, bis er sich aus lauter Trotz in die Mitte des Pulks vorstößt. Voller Übermut stellt er klare Forderungen, übergibt dann die Tasche und erhält die Karten mit einem „schönen Gruß von Bob!“. Die intellektuelle Elite über 50 schaut brüskiert. Wir gehen raus und prallen gegen eine Wand aus Kartensuchenden. Die „Dreigroschenoper“ haben wir schon in x-mal gesehen. Es dauert eine gefühlte Nanosekunde, bis wir beschließen, die Karten zu verkaufen und pokern zu gehen. Generation Klingelton. JURI STERNBURG