Auf dünnem Eis

Die Eishockey-Bundesligisten aus Hamburg und Hannover trennen sich 4 : 5 – an der Leine ist man zufrieden mit der eigenen Arbeit. An der Elbe muss derweil der Trainer um seinen Posten fürchten

VON CHRISTIAN GÖRTZEN

Wie sehr sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Nordklubs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) verschoben haben, ließ sich nach dem 4 : 5 (nach Penalty- Schießen) der Hamburg Freezers gegen die Hannover Scorpions ermitteln: am Mienenspiel der beiden knurrigen Trainer.

Mit Blick auf die annähernd 30 Journalisten wandte sich Scorpions-Coach Hans Zach, der so genannte „Alpen-Vulkan“, am Dienstag noch einmal an seinen Hamburger Kollegen Bill Stewart; dessen Spitzname – „Kill-Bill“ – lässt auch kein bisschen mehr auf einen Sympathieträger schließen. „Tschüss Bill“, sagte Zach mit einem Lächeln auf den Lippen, „und lass dir nichts gefallen.“ Stewart erwiderte: „Thank you, Hans. Frohes neues Jahr.“

Ja, geben ist eben doch seliger als nehmen, auch in der Nachweihnachtszeit. Dabei hätte der selbstlose Stewart das Nehmen eigentlich deutlich nötiger als sein Gegenüber. Anders als Zach, der mit den Hannover Scorpions auf einem sehr guten Weg in die Play-off-Runde um die Meisterschaft ist, steht Stewart nach Wochen der Mittelmäßigkeit mit den Freezers kurz vor der eigenen Entlassung. Für die Hamburger, die sich vor der Saison schon mal selbst als Titelkandidat ausriefen, könnte eine Spielzeit erstmals schon nach der Hauptrunde beendet sein. Das wäre ein Fiasko – nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht.

„Seit 69 Tagen“, sagte Stewart, erkenne er seine Mannschaft nicht mehr wieder. Und diese Zahl wiederholte der 50 Jahre alte Kanadier derart unermüdlich, dass es beinahe schien, als hätte er gerade irgendeinen diabolischen Plan aufgedeckt, ihn kühn durchkreuzt und schon zum Gegenschlag ausgeholt. Doch davon ist nichts zu sehen: Stewart wittert überall Verrat, bleibt aber eine Lösung schuldig.

Sein ursprüngliches Vorhaben, den Freezers-Profis durch die Einbehaltung eines Teils ihrer Gehälter auf die Sprünge zu helfen, scheiterte am nicht ausreichenden Kenntnisstand der arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Deutschland: „Ich bin kein Anwalt“, sagte Stewart und verlieh seiner Aussage mehr an Kraft, indem er seine rechte Hand wie zum Eid erhob. „Aber ich habe einen Master in Streetwork. Ich wollte hier eine nordamerikanische Umgebung, eine nordamerikanische Mentalität erschaffen. In den USA ist es verrückt, wie monetäre Werte die Spieler stimulieren.“

In Hamburg, wo solche Werte zwar traditionell auch etwas zählen, aber allenfalls hanseatisch-diskret zur Schau gestellt werden, musste Stewart kleinlaut davon zurücktreten, die Spieler durch Einbußen zu motivieren. „Man hätte Gehalt einbehalten können“, sagte Freezers-Geschäftsführer Boris Capla. „Aber die Strafe muss individuell ausgesprochen werden, es darf keine Kollektivstrafe werden. Da wäre die Gefahr sehr groß gewesen, dass ein Spieler dagegen geklagt hätte.“ Stewart sprach er übrigens nur halbgar das Vertrauen aus – immerhin: „Zurzeit ist er der richtige Trainer“, sagte Capla über den kriselnden Kanadier.

Stewart klammerte sich daran, dass Schiedsrichter Oswald beim Penalty-Schießen einen „großen Regelfehler“ zu Lasten der Freezers begangen habe. „I don’t think it was a Niederlage“, zürnte Stewart, der Aussagen zum Spiel stets auf deutsch beginnt und dann ins Englische wechselt. Dabei war es eine Niederlage – vor allem für ihn. Viele wird er sich davon nicht mehr erlauben dürfen.