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Archiv-Artikel

die anderen über die überraschenden wendungen bei den us-vorwahlen

Der Wiener Kurier kommentiert: Die Amerikaner lieben schöne Geschichten von himmelstürmenden Tellerwäscher-Karrieren – auch in der Politik. Ein schwarzer John F. Kennedy im Weißen Haus ist so ein Stoff, aus dem Träume sind. Deswegen kreisten die US-Medien bis unmittelbar vor dessen Rückschlag in New Hampshire vor allem um Barack Obama. Und die Meinungsforscher, die dem jungen Senator einen zweistelligen Vorsprung in Aussicht stellten, lieferten ihnen das verschlissene Unterfutter. Die Show-Politik lenkt von den echten Sorgen ab: abstürzende Börsen, die Gefahr einer Rezession und eines finanziellen Ausblutens im Irak, 45 Millionen Bürger ohne Krankenversicherung. Das ist der Stoff, aus dem die Realität ist und den keiner gerne anfasst.

Die Presse in Wien assistiert: Es ist ein Spiel mit Erwartungen. Wer besser abschneidet als prognostiziert, hat schon gewonnen, diesmal Hillary Clinton. In Umfragen war sie klar hinter ihrem innerparteilichen Konkurrenten Barack Obama gelegen, deshalb wird ihr Sieg in New Hampshire nun als großes Comeback gehandelt. Obamas Ausgangslage ist günstig, Clinton immer noch die Gejagte. Sie hat auch in New Hampshire kein Rezept gegen den Charismatiker gefunden. Tränen allein werden nicht reichen. Und die Giftpfeile, die sie auf Obama abfeuert, fallen stets auf sie zurück. Doch auch der Jungstar könnte noch entzaubert werden, wenn Amerika genauer hinhört. Obama redet gut, aber er sagt nicht viel. Seine mangelnde Substanz ist die größte Chance seiner Gegner.

Der Zürcher Tages-Anzeiger findet: In amerikanischen Leben gebe es keinen zweiten Akt, glaubte der Romancier F. Scott Fitzgerald. Das Ergebnis der Vorwahlen im neuenglischen New Hampshire aber straft ihn Lügen. Nach der Niederlage in Iowa konnten Hillary Clinton und der republikanische Senator John McCain den Medien politische Nachrufe auf ihre Bewerbungen entnehmen. Die Wähler in New Hampshire haben nun beiden Kandidaten ein glänzendes Comeback beschert.

In Rom meint La Repubblica: Schon das erste Check-up nach Iowa war also sehr positiv für Hillary Clinton. Sie hat in bester Manier reagiert und es dabei verstanden, die eigene Schwäche in einen erfolgreichen Gegenzug zu verwandeln, während es für Barack Obama weit weniger gut gelaufen ist. Dieser Prophet des Wandels ist jetzt zum Außenseiter geworden. Hillary Clinton hat ihm dieses Schlüsselwort, das weiterhin die amerikanische Nominierungskampagne beherrscht, durch ihren eigenen Wandel abspenstig gemacht.

La Presse de la Manche aus Cherbourg schreibt: Obwohl er in allen Umfragen weit vorne lag, wurde Barack Obama von der erfahrenen Clinton abgeschlagen. Wie kam es zu diesem Wunder? Vielleicht wurde es einfach von der – diesmal echten – Emotion bewirkt, die die ehemalige First Lady gezeigt hat: Möglicherweise haben weder die Strategie Clintons noch ihr Programm die Menschen bewegt. Vielmehr könnte ihre Emotion eine Welle von Mitgefühl ausgelöst haben.

In Madrid kommentiert die Zeitung ABC: Das Prinzip der Demokratie bringt es mit sich, dass niemand – auch nicht die Wissenschaft mit ihren ausgefeilten Methoden – den Wähler ersetzen kann. In der kompetitiven amerikanischen Gesellschaft neigt man zur Hektik und zu voreiligen Schlussfolgerungen. Dabei zählen die Abstimmungen in den Bundesstaaten Iowa und New Hampshire unter dem Strich nur wenig.

In Mailand meint der Corriere della Sera: Hillary ist zurück. 16 Jahre nach Bill lässt ein anderer Clinton den amerikanischen Mythos vom „Comeback Kid“ wieder aufleben und gewinnt überraschend die demokratischen Vorwahlen in New Hampshire. Der Wettlauf um die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten im fortschrittlichen Lager schien vor kurzem noch eine Einbahnstraße zu sein. Jetzt kündigt sich aber eine der härtesten Kampagnen seit einer Generation an. Und jetzt ist es der afroamerikanische Senator aus Chicago, der um das politische Überleben kämpfen muss.