: Der beste Feind der CIA, Philip Agee, ist tot
Der Ex-Geheimagent löste in den 70er-Jahren mit Enthüllungen aus dem Innern der CIA Skandale aus – ein Nachruf
BERLIN taz ■ So jemanden nennt man gewöhnlich Staatsfeind: „Phil Agee war der Erste, der öffentlich aus dem Innenleben der CIA berichtet hat“, sagt Agees guter Freund, der New Yorker Anwalt William Schaap. „Er hat hunderte von Geheimoperationen ausgeplaudert.“ In mehreren Büchern enthüllte er die Namen von mehr als 2.000 CIA-Agenten auf der ganzen Welt. Dafür haben ihn US-Regierungen gehasst. Als der ehemalige CIA-Chef und US-Präsident George Bush 1997 eine Rede zum 50-jährigen Bestehen des US-Geheimdienstes hielt, erwähnte er auch Agee: „Erinnert euch an Philip Agee, den ich für einen Landesverräter halte.“
Es blieb nicht bei Beschimpfungen: Agee wurde 1979 sein Pass entzogen, auch aus mehreren anderen Ländern wurde er auf Betreiben Washingtons ausgewiesen. Er fand ab 1978 in Hamburg Aufnahme, wo er später eine Deutsche heiratete und bis 2000 lebte. Einen Ersatz für seinen US-Pass erhielt er von Grenadas Revolutionsführer Maurice Bishop nach dessen Sturz von den Sandinisten in Nicaragua. Ab 1990 hatte Agee die deutsche Staatsbürgerschaft.
Hier war er 1975 durch sein Enthüllungsbuch „Inside the Company“ eine bekannte Figur geworden. Darin beschrieb er seine Jahre als CIA-Agent in Lateinamerika, von 1960 in Ecuador, wo er die guten Beziehungen zu Kuba sabotieren sollte, bis 1968 in Mexiko, wo er Geheimaktionen gegen die Olympischen Spiele leitete. Dazwischen wurde er in Uruguay Zeuge, wie ein Mann gefoltert wurde. „Ich werde dieses Schreien noch lange im Gedächtnis behalten.“ Solche Erlebnisse weckten in ihm Zweifel an seinem Tun. „Als ich bei der CIA anheuerte, glaubte ich, dass sie notwendig sei“, schrieb er in „Inside the Company“. „Aber nach zwölf Jahren beim Geheimdienst verstand ich, wie viel Leid die CIA verursachte, dass Millionen Menschen durch sie oder von ihr unterstützte Institutionen sterben mussten oder ihr Leben zerstört wurde.“
Agees Schilderungen prägten für viele deutsche Linke das Bild der damaligen US-Politik in Lateinamerika. Ehemalige Kollegen werteten seine Beschreibung des Alltags eines CIA-Agenten als zutreffend, und sie halten den Schaden, den er durch die Enttarnung vieler Agenten anrichtete, für gewaltig. Aktionen mussten abgebrochen und Spione zurückgerufen werden.
Agee und seine Freunde in den USA setzten die Arbeit mit der Zeitschrift Covert Action Information Bulletin fort, bis die US-Regierung 1982 die Preisgabe der Identität von CIA-Agenten unter Strafe stellte – der Hintergrund zur noch immer aktuellen Affäre um die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame, wegen der dem Exstabschef von US-Vizepräsident Richard Cheney, der Prozess gemacht wurde.
Agee pflegte enge Beziehungen zu Kuba und Fidel Castro. 2000 siedelte er nach Havanna um und gründete das Reisebüro Cubalinda, über das US-Bürger unter Umgehung des Embargos Reisen nach Kuba buchen konnten. Am 7. Januar ist Agee dort 72-jährig gestorben. STEFAN SCHAAF