berliner szenen Trotziges Gestrüpp

Else-Lasker-Schüler-Straße

Oje. Wer schon immer mal wissen wollte, was man sich unter der Bezeichnung „erbärmlich“ vorstellen muss, der sollte vom U-Bahnhof Nollendorfplatz den Ausgang in Richtung Else-Lasker-Schüler-Straße nehmen. Dass man bei dieser Stein gewordenen Tristesse in heillosen Weltschmerz fällt, ist nicht verwunderlich. Straße ist zu viel gesagt. Eine kurze Schneise, die den Nollendorfplatz mit dem Strich in der Kurfürstenstraße verbindet und durch die kalt der Wind schlägt.

Nur zwei Gebäude stehen hier. Auf der rechten Seite ein schmutzig-brauner Häuserblock. Die wenigen Fenster so klein, dass Lichteinfall und Wärmeverlust in der Heizperiode auf ein Minimum reduziert sind. Eine Messingplakette mit dem Berliner Bär tut kund, dass es sich um ein Werk des Berliner Aufbau-Programms von 1960 handelt. Nach Aufbau sieht hier nichts aus. Eher nach Aufbruch angesichts der Zugluft und des Rottweilers, der grimmig sein Gebiss an eins der Fenster schlägt, über deren Bruchsicherheit man jetzt lieber nicht nachdenkt. Gegenüber ein, nun ja, der Einfachheit könnte man den plastikverschalten Block mit seinen schießschartenartigen Balkonen Neubau nennen. Über die Front des Erdgeschosses erstreckt sich ein Materiallager für Autoteile. Montag bis Samstag von 7 bis 20 Uhr kann hier alles erstanden werden, was das Herz des Pkw-Liebhabers erfreut. Aber dann ist da plötzlich noch etwas anderes am hinteren Ende dieser stadtplanerischen Depression. Verdeckt von himmelblauen Bretterwänden wuchert Gras und Gestrüpp vor sich hin und trotzt still dem Beton drumherum. Dass es nicht grüner strahlt, liegt nur am Berliner Winter. Aber der vergeht auch wieder.

WIEBKE POROMBKA