hamburger szene
: Solidarnosch ist eine russische Suppe

Es ist halt auch fürchterlich kalt, plötzlich ist es so geworden. Empfindliche Menschen fahren nicht Fahrrad, sondern Bahn oder gehen zu Fuß. Denn es ist so kalt, dass die Nase im Fahrtwind beständig tropft und die Oberschenkel an den Hoseninnenseiten kleben. Und die Hände erst! Die können so kalt werden, dass es einem sofort auffallen muss, falls man seine Handschuhe irgendwo vergessen hat. So war ich im Halbdunkel zum Hauptbahnhof zurückgekehrt und loyalerweise waren meine Handschuhe abgegeben worden. In der Dunkelheit gegen mein Fahrrad gelehnt, sorgsam meine Handschuhe anziehend, ruft es plötzlich von der Hauswand her: „Scheiße kalt.“

„Hmm, isses“, erwidere ich dem Mann, der halb aus dem Türeingang tritt. Er hat prekär hohle Wangenknochen und ist nicht dick. Eher dünn. „Wieso fährste denn dann Fahrrad?“ fragt er, berechtigterweise und ein wenig schwankend. Der wird mich doch nicht für eine Fahrradfahrerin aus Überzeugung halten? Mit modernen Stulpen, Ohrenwärmern und sonstigen Accessoires? „Geld sparen“, erwidere ich wahrheitsgemäß und ziehe mit resolutem Schwung den zweiten Handschuh über die Hand.

Der Mann guckt mich solidarisch an und ich ihn auch. „Na, denn, wünsch ich dir noch nen schönen Tag“ sagt er. „Ich dir auch“ sag ich, und freu mich über ihn und trete in die Pedale, während er zurück in den Schatten des Hauseingangs tritt.

REBECCA CLARE SANGER