Der Papst muss weiter leiden

Trotz Benedikts frommem Wunsch, die E-Gitarren ruhen zu lassen, wird beim Deutschen Katholikentag in Osnabrück wieder Sakropop zu hören sein. Nur der Katholikentags-Song ist abgeschafft, mit Rom habe das aber nichts zu tun, sagt die Kirche

Kurz nach der Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum Stellvertreter Christi auf Erden lief im Fernsehen einer jener seltenen Filme, die abwarten können. In respektvoller Halbdistanz verharrte der Reporter, der Rom-Korrespondent irgendeines Senders, bei Ratzinger, der da noch gar nicht Papst war, und irgendwann kam der Punkt, da setzte sich Ratzinger an sein Klavier und spielte aus Bachs „Wohltemperiertem Clavier“. Er komme wenig zum Üben, sagte er, und das hörte man auch, aber Ratzinger spielte eisern bis zum Ende und klappte dann den Klavierdeckel mit einem sardonischen Lächeln zu.

Dem Papst hat ein Verhältnis zur Musik, sie ist ihm nicht schnuppe, schließlich war sein Bruder, der Ratzinger Georg, mal Dirigent des hoch dekorierten Knabenchors der Regensburger Domspatzen. Und so war es konsequent, dass Benedikt nach einem Jahr auf dem Stuhl Petri durchgriff. Zuerst rehabilitierte er den ehemaligen Chorleiter der päpstlichen Capella Sistina, den traditionsbewussten Domenico Bartolucci, der von Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. geschasst worden war. „Es ist möglich, die geistliche Musik zu modernisieren“, sagte Benedikt, man solle sich dabei aber bitte an die Tradition des gregorianischen Chorals und der „heiligen polyphonen Chormusik“ halten. Wenig später sagte Benedikt das weihnachtliche Popkonzert des Vatikans ab, bei dem zuvor Sängerinnen wie Daniela Mercury aufgetreten waren und gegen das päpstliche Kondomverbot protestiert hatten.

Der Londoner Telegraph berichtet von den Vorfällen und schlussfolgerte, dass der Papst die E-Gitarren aus der Messe verbannen wolle, mithin also dem Sakropop den Kampf angesagt habe. Der italienische Kardinal Carlo Furno wurde mit den Worten zitiert, Gitarren auf dem Altar seien besser als leere Kirchen, aber der Papst blieb bei seiner Linie. Allerdings scheint sein Arm in Fragen der Kirchenmusik nicht über den Petersdom hinauszureichen. „Davon habe ich noch nichts gehört“, sagt Thomas Grossmann, auf die päpstlichen Präferenzen angesprochen. Grossmann ist Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und zuständig für alle Fragen des Deutschen Katholikentages 2008 in Osnabrück.

Der Katholikentag ist wie sein evangelisches Pendant, der Kirchentag, ein Hochamt für den Sakropop, schließlich will man junge Menschen erreichen. Und so treten sie alle wieder in Osnabrück auf, die christlichen Musikgruppen mit den Melodien zum Mitsingen und Fingerschnippen. Sie heißen Trinity und Basilea und Ruhama, sie klingen nach Pur minus Rock’n’Roll, sie meinen es nicht böse und tun niemandem weh, außer vielleicht dem Papst, und der ist weit weg in Rom und muss das nicht hören.

Höhepunkt in Osnabrück ist vermutlich wieder der Auftritt des Gospelkomponisten Gregor Linßen aus Neuss, der mit einem Freiwilligenchor sein mittlerweile drittes Oratorium „Petrus-Projekt“ vortragen wird, das, des päpstlichen Verdikts ungeachtet, im vergangenen Sommer in der Lateran-Basilika zu Rom uraufgeführt worden ist. Bis Ende Januar kann man sich noch melden zum Mitmachen, die Aufführungskleidung, ein „gesticktes T-Shirt mit Hahn und Schrift, dunkelgrün oder smaragdgrün“ kostet 25 Euro.

Pech für Linßen: Der Wettbewerb um das offizielle Katholikentagslied, auf dessen Gewinn er ein Daueraspirant war, ist bereits 2007 abgeschafft worden. „Die Ergebnisse waren nicht so überzeugend“, sagt Zentralkomitee-Sprecher Grossmann, zumindest seien „viele dieser Ansicht“ gewesen. Mit Rom habe das aber nichts zu tun.

Schon wieder was gelernt. Offenbar ist der Papst in manchen Dingen toleranter, als man denkt. DANIEL WIESE