Schummelnde Shooter

Auch in der Welt des boomenden elektronischen Sports geht es nicht immer mit rechten Dingen zu. Zum ersten Mal wird nun in Köln ein Fall von E-Doping vor Gericht verhandelt

BERLIN taz ■ Für die Frau in der Robe dürfte es Neuland gewesen sein: Das Amtsgericht Köln muss in diesen Tagen entscheiden, ob ein Computerspieler-Team mit dem schönen Namen „Clan Coldgame“ zu Recht nicht mehr in der so genannten „ESL Pro Series“ mitballern darf. Aus dieser Oberklasse des elektronischen Sports (E-Sport) in Deutschland war die Gruppe der „Counter-Strike“-Spieler im Dezember herausgeflogen, weil die Ligabetreiber dem Team eine verbotene Schummelei, sozusagen digitales Doping, vorgeworfen hatten. Eines der Mitglieder von „Coldgame“ soll demnach elektronische Tricks verwendet haben, um sich auf die vorderen Plätze bei dem Egoshooter zu kämpfen. Laut Ligarecht ist das (natürlich) nicht erlaubt, da unterscheidet sich der elektronische Sport nicht vom richtigen.

Das Spielen am PC ist inzwischen längst breit organisiert, wie man dies früher nur vom real Breitensport kannte. Denn: Genauso wie im „Analogen“ geht es auch im „Digitalen“ um allerlei. Die Electronic Sports League, kurz ESL, deren Wurzeln 1997 in Deutschland zu finden sind, versammelt heute laut eigenen Angaben über 750.000 Mitglieder in ganz Europa bis hinüber nach Russland, die sich in zahlreichen unterschiedlichen Ligen tummeln. Die angebotenen Spiele sind dabei sehr verschieden – vom in den Medien viel erwähnten Ego-Schusswechsel mit „Counter Strike“ über Fantasy-Abenteuer wie „Warcraft“ bis hin zu Renn- und Sportspielen wie „Nascar“ oder „Fifa“. Hinter der ESL steht dabei das Kölner Betreiberunternehmen Turtle Entertainment, das über die Einhaltung der Regeln wacht und die zunehmend lukrative Vermarktung anschiebt.

Das erwähnte Doping ist in den im E-Sport eingesetzten Spielen auf verschiedene Arten möglich – was die Ligaleitung natürlich penibel zu verhindern trachtet. Dennoch soll es unfaire Mitspieler geben, die bei Egoshootern beispielsweise mit Spezialsoftware durch die Wände schauen können oder den Gegner ganz automatisch ins Fadenkreuz bekommen und nur noch schnell „abdrücken“ müssen. Spezielle Programme sowie Schummelexperten sollen deshalb sicherstellen, dass so etwas auch im Profi-E-Sport niemals passiert.

Die Strafen für erwischte „Cheater“, wie das Schummelvolk in Spielerkreisen auch gerne genannt wird, sind durchaus ernst zu nehmen: Überführte Personen werden aus der Liga geworfen und/oder mit einer Sperre von bis zu zwei Jahren belegt – eine weitere Parallele zum Doping in der realen Sportwelt. Um einen Nachweis für die Schummelei erbringen zu können, wird jedes Spiel wenn möglich aufgezeichnet und kann dann von Experten analysiert werden. Das Problem: Viele moderne Schummelprogramme sind derart schlau programmiert, dass ihr Einsatz nur mit hohem Aufwand oder gar zweifelsfrei nicht nachgewiesen werden kann.

Genau deshalb dürfte die Entscheidung dem Kölner Amtsgericht nicht gerade leicht fallen. „Coldgame“ hatte in Reaktion auf den Bescheid der ESL, das Team auszuschließen, eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Team müsse wieder in den Spielbetrieb integriert werden. Man habe nicht geschummelt und sei zu Unrecht ausgeschlossen worden. Das 17-jährige Teammitglied, den die ESL gleichzeitig mit einer Sperre belegt hatte, habe keine verbotene „Zielsoftware“ (einen so genannten „Aimbot“) eingesetzt, wie behauptet worden war.

„Coldgame“ hatte zunächst bei der ESL ohne Erfolg protestiert und dann den „eutschen E-Sport-Bund als Schlichter angerufen. Doch auch der konnte nicht viel mehr tun, als an einen Anwalt zu verweisen – und einen solchen schaltete „Coldgame“ dann ein.

Bei dem Verfahren geht es durchaus nicht nur ums Prestige: Wäre „Coldgame“ nicht aus der Liga geworfen worden, hätte es das Team in die höchste Klasse, die erwähnte ESL Pro Series, geschafft. Und in jener geht es dank Sponsorengeldern um viel: Bis zu 170.000 Euro an Preisgeldern gab’s von Intel und anderen Hightech-Firmen wie Fujitsu- Siemens. Für das „Coldgame“-Team, das sich zuvor durch die niedrigeren Ligen gekämpft hatte, fiel nichts ab, die Richterin soll es nun richten. Beim ESL-Veranstalter Turtle Entertainment gibt man sich derweil siegessicher: Der Gegenantrag hat samt Anhang über 150 Seiten.

BEN SCHWAN