Beruhigung des Ökogewissens

betr.: „Was der Obstbauer lehrt“, Kommentar von Bernward Janzing, „Legale Stromwäsche“, taz vom 7. 1. 08

Bernward Janzing vergleicht den Kauf von „Ökostrom“ mit dem von „Ökoäpfeln“. Ein schönes Bild, nur hinkt der Vergleich: Ein ungespritzter „Ökoapfel“ vom Ökobauern ist von seiner Substanz her etwas anderes als ein gespritzter Normalapfel von der konventionellen Konkurrenz. Der Strom, der aus der Steckdose kommt, ist physikalisch gesehen dagegen stets der gleich. Er stammt immer ganz überwiegend von den zumeist fossil-atomaren Kraftwerken, die regional in das Stromnetz einspeisen.

Zu „Ökostrom“ wird der Strom dadurch, dass ich mit einem Einspeiser von Strom aus Erneuerbaren Energien vereinbare, dass er an irgendeiner Stelle im Netz die Menge Strom einspeist, die ich am anderen Ende verbrauche. Wenn ich Strom über Greenpeace Energy beziehe, schließen die entsprechende Verträge mit Betreibern von Wasserkraftwerken in Österreich. Wenn ich den Strom über die Stadtwerke Kassel beziehe (deren „Ökostrom“-Angebot unter Kritik steht), schließen die einen Vertrag mit Betreibern von Wasserkraftwerken in Skandinavien (was auch indirekt über den kritisierten Zertifikathandel geschehen kann). Insoweit besteht erst mal kein prinzipieller Unterschied.

Nun geht der „Ökostrom“-Verbraucher zumeist davon aus, dass aufgrund seines „Ökostrom“-Verbrauchs weniger fossil-atomarer Strom produziert wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn sein „Ökostrom“ nur wegen seiner Nachfrage zusätzlich produziert worden ist. Der hier genannte Wasserkraftstrom würde aber sonst als „Normalstrom“ verkauft werden. Anders ausgedrückt: Beziehe ich solchen „Ökostrom“, beziehen meine Nachbarn in ihrem konventionellen Strommix einen entsprechend kleineren Anteil „Ökostrom“. Das mag mein „Öko-Gewissen“ beruhigen, verhindert aber kein einziges Gramm CO2.

Ökologischer wird der Strombezug dann, wenn der Stromversorger selbst in Erneuerbare Energie investiert oder investieren lässt. Dies ist bei den „Ökostrom“-Anbietern zum Teil der Fall, beginnt bei den konventionellen Anbietern inzwischen aber auch.

Wer nicht nur sein Gewissen beruhigen, sondern etwas gegen den Klimawandel tun will, sollte seine Kraft daher dafür einsetzen, dass die Versorger – und da besonders die großen – ihr Geld statt in neue Kohlekraftwerke in Erneuerbare Energien investieren, seien es dezentrale Anlagen, Offshore-Windparks, Solaranlagen in der Sahara oder in den dazu notwendigen Netzausbau …

HORST SCHIERMEYER, Zittau