heute in bremen
: Hunger als Kriegstaktik

„Kanonen statt Butter“ in der Staats- und Unibibliothek

taz: In der Einladung zu Ihrer Ausstellung steht, das Thema Ernährung gehöre „ins Zentrum der Herrschaftspraxis des ,Dritten Reiches‘“. Inwiefern?

Joachim Drews, Fachreferent Geschichte: Die Umstellung der Ernährungspolitik auf die künftige Kriegswirtschaft gehörte schon 1933 zu den zentralen Maßnahmen des Regimes. Ab 1939 kam die Ausbeutung der besetzten Ostgebiete hinzu: Alle dort eingesetzten Truppen wurden aus dem Land heraus ernährt.

Tut das nicht jede marodierende Armee?

Der Unterschied ist, dass der daraus resultierende Hunger der Zivilbevölkerung nicht nur in Kauf genommen, sondern gewollt war – als eine „Technik“ des Vernichtungskrieges. Allein bei der Belagerung von Leningrad verhungerten 1,1 Millionen Einwohner, insgesamt starben während der deutschen Besatzung bis zu sechs Millionen Sowjet-Zivilisten an den Folgen der Unterernährung. Die NS-Planer hatte sogar mit 20 bis 30 Millionen Toten kalkuliert.

War das unmittelbare Absicht oder Kriegsfolge?

Ein Vergleich verdeutlicht die Absicht: Während man mehr als die Hälfte der 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen verhungern ließ, starben „nur“ drei Prozent der alliierten Kriegsgefangen in deutscher Obhut.

Wie sah es während dessen an der „Heimatfront“ aus?

Die Versorgung mit Lebensmitteln hat bis in die letzten Tage des „Dritten Reichs“ relativ gut funktioniert. Wenn Sie ältere Leute fragen, erzählen alle: Richtig gehungert haben wir erst danach.

Neben Propagandaplakaten, Fotografien und Backformen für den Hakenkreuz-Topfkuchen zeigen Sie Care-Pakete. Warum?

Wir haben die vom Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum konzipierte Schau um ein Bremer Fenster erweitert: Schließlich waren die hiesigen Häfen der zentrale Umschlagplatz für die US-Hilfslieferungen. Alle 10 Millionen Care-Pakete gelangten über Bremen nach Deutschland. Fragen: H. Bleyl

Bis 1. März in der Staats- und Universitätsbibliothek, Führungstermine: www.suub.uni-bremen.de. Klassen-Anmeldungen unter ☎ 218 3639