Brunsbüttel soll mal Pause machen

Schleswig-Holsteins Grüne fordern aufgrund bekannt gewordener Sicherheitslücken vierjährige Betriebspause für Brunsbüttler Reaktor. Sozialministerin Gitta Trauernicht werfen sie zusammen mit der FDP vor, Risiken systematisch verschwiegen zu haben

VON MARCO CARINI

Detlef Matthiessen schäumt. Es sei „ein unglaublicher Vorgang, dass dieser gravierende Vorgang der Ministerin keine Silbe wert war“, kritisiert der Abgeordnete der Kieler Landtagsfraktion der Grünen. In vielen Sitzungen des Landtags und der zuständigen Ausschüsse habe Gitta Trauernicht (SPD), der die Atomaufsicht des Landes obliegt, nach den Pannen in den Atommeilern Brunsbüttel und Krümmel Bericht über den Sicherheitsstand der beiden Meiler erstattet.

Nur die Ergebnisse des in ihrem Ministerium erstellten Berichts, der gravierende Sicherheitslücken bei der Notstromversorgung in Brunsbüttel belegt, habe sie „trotz penibler Nachfragen konsequent verschwiegen“. Deshalb müsse „die Ministerin im Sozialausschuss nun umfassend Stellung“ dazu nehmen, warum sie die Analyse „der Öffentlichkeit vorenthielt“, fordern Mathiessen und sein FDP-Kollege Heiner Garg fast gleich lautend.

Gitta Trauernicht gerät unter Druck. Der gestern von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte Geheimbericht über die „Optimierung der Notstromversorgung des Kernkraftwerkes Brunsbüttel“ weist nach Auffassung der Umwelthilfe wie auch der Kieler Grünen auf „Sicherheitslücken bislang ungeahnten Ausmaßes“ im AKW Brunsbüttel hin.

„Das Gutachten belegt, dass wir in Brunsbüttel einen Kabelsalat vorfinden, der dazu führt, dass bei einem Schaden der Stromversorgung die Reservesysteme, die dann einspringen sollen, gleich mit zerstört werden“, sagt Matthiessen. „Das geht an den Kern der Sicherheit. Die Folge könnte eine Kernschmelze, mithin der Super-GAU, sein.“

Das Kieler Sozialministerium hingegen spielt die Ergebnisse der eigenen Studie und auch ihre Bedeutung herunter. Das Kieler Sozialministerium bestätigte zwar ihre Existenz, doch sei sie „ausschließlich für den internen Gebrauch“ gedacht. Einige der hier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Notstromversorgung seien „bereits abgeschlossen“, andere „noch in der Umsetzung“, was aber teilweise auch „im laufenden Betrieb geschehen“ könne. Die periodische Sicherheitsprüfung des Reaktors habe jedenfalls „keine Ergebnisse“ erbracht, die „einem Betrieb von Brunsbüttel grundsätzlich entgegenstehen“.

Auch Vattenfall-Sprecher Ivo Banek betont, „die Notstromversorgung in Brunsbüttel“ sei „ohne Wenn und Aber sicher“. Das Ministerium habe Vattenfall mitgeteilt, es gäbe „keine nicht-beantworteten Fragen, die einem Wiederanfahren“ des im Juli 2007 vom Netz genommenen Reaktors im Wege ständen. Die jetzt veröffentlichte Untersuchung sei ein altes Papier. Über eine „weitere Optimierung der Notstromversorgung“ werde mit dem Ministerium gesprochen.

Allerdings erfordere die Entscheidung über die vom Ministerium vorgeschlagenen „langfristigen Maßnahmen“ eine Entscheidung darüber, wie lange der Reaktor noch läuft. Denn während das Kraftwerk ohne die strittige Übertragung von Restlaufzeiten nur noch zwei Jahre ans Netz darf, betragen Planungsphase und Bauzeit der vom Ministerium geforderten langfristigen Maßnahmen nicht weniger als vier Jahre.

Der Grüne Matthiessen hat jedenfalls „kein Verständnis dafür“, sollte Trauernicht die Wiederinbetriebnahme des Reaktors genehmigen, ohne dass die in dem Bericht geforderten Maßnahmen „vollständig umgesetzt“ sind. „Wenn Sicherheit vor Rendite geht, muss Brunsbüttel noch mindestens vier Jahre vom Netz bleiben – alles andere ist Flickschusterei“, klagt der Abgeordnete. Dass trotz der bekannt gewordenen Sicherheitslücken ernsthaft über ein baldiges Comeback von Brunsbüttel diskutiert werde, sei schlicht „ein Hammer“.