Ausfliegen und abschieben

Fluggesellschaft Hamburg International erhält Preis für das Ausfliegen behandlungsbedürftiger Kinder aus Afghanistan. Zugleich führt sie Sammelabschiebungen für mehrere EU-Staaten aus. Organisatoren der Luftbrücke loben gute Kooperation

VON GERNOT KNÖDLER

Die Fluglinie Hamburg International (HHI) macht Geschäfte, die nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Weil sie im Oktober vergangenen Jahres dringend behandlungsbedürftige Kinder aus Afghanistan nach Hamburg flog, erhielt sie die Auszeichnung „Pro Sky Charter Excellence Award 2007“. Nach Angaben des Zeit Magazins Leben wird dieselbe Fluggesellschaft regelmäßig von der Hamburger Ausländerbehörde für Sammelabschiebungen aus mehreren EU-Staaten gebucht. In der britischen Version des Informationsdienstes Indymedia wird von einem anonymen Autor sogar behauptet, Hamburg International habe Flüchtlinge auch nach Afghanistan zurückbefördert.

Hamburg International ist eigenen Angaben zufolge eine unabhängige Charterfluggesellschaft. Sie vermietet komplette Flugzeuge an deutsche und europäische Reiseveranstalter. „Weitere Geschäftsfelder der Hamburg International sind der so genannte ethnische Charterflugverkehr mit Flügen unter anderem in die Türkei oder nach Pristina im Kosovo sowie exklusive Einzel- und Ad-hoc-Charterflüge“, heißt es auf der Website des Hamburger Unternehmens. Mehrfache mündliche und schriftliche Anfragen der taz zum Thema Abschiebeflüge ließ die Fluggesellschaft über mehr als 24 Stunden unbeantwortet.

Im Oktober 2007 brachte die Fluggesellschaft 59 schwer verletzte Kinder aus Afghanistan nach Hamburg. Die Kinder im Alter zwischen drei und 17 Jahren litten an Verbrennungen, Schussverletzungen, Knochenbrüchen, Blutvergiftungen und Herzfehlern. Zur Behandlung wurden sie auf 30 Krankenhäuser in Deutschland verteilt. Organisiert hatte die Luftbrücke der Mühlheimer Verein „Kinder brauchen uns“ sowie die Hamburger Albertinen-Gruppe, eine diakonische Einrichtung, die zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gehört.

Das Engagement von Hamburg International für die Kinder-Luftbrücke war der Charterflieger-Branche einen Preis wert. „Hamburg International hat in vorbildlicher Art und Weise ihre Sonderflug-Kompetenz mit einer humanitären Botschaft verbunden“, lobte Armin Truger, der Geschäftsführer der Firma Pro Sky Airbroker, die den Charter Excellence Award ins Leben gerufen hat.

„Das ist ein Preis, den wir an unsere Geschäftspartner vergeben“, sagt Ingo Porstmann von Pro Sky Airbroker. „Er geht an Fluggesellschaften, die sich besonders flexibel gezeigt haben, wenn es darum ging, Sonderflüge zu organisieren.“ In der PR-Mitteilung zum Preis wird gewürdigt, dass Afghanistan aufgrund der Sicherheitslage zu den schwierigsten Flugzielen der Welt gehöre. Das Team von Hamburg International habe die damit verbundenen Herausforderungen geschickt bewältigt und sich dafür engagiert „die Kosten der Luftbrücke so gering wie möglich zu halten“.

Auf die Abschiebe-Flüge von Hamburg International angesprochen, sagt Porstmann, bei dem Preis gehe es nicht um humanitäre Leistungen. Der Preisträger sei nicht von Pro Sky Airbroker selbst sondern von den gut 100 Teilnehmern der Pro-Sky-Airliner-Conference in Köln gekürt worden – einem Treffen von Fluggesellschaften, die Sonderflüge organisieren.

Zu den Sonderflügen von Hamburg International gehören laut Zeit Magazin Sammelabschiebungen aus mehreren EU-Staaten. Sammelabschiebungen, bei denen mehrere Flüchtlinge in ein eigens gechartertes Flugzeug gesetzt werden, sind billiger als Abschiebungen einzelner Flüchtlinge. Wie die Zeit schreibt, bucht die Hamburger Ausländerbehörde dafür unter anderem die Fluglinie Hamburg International. Nach Angaben des Flüchtlingsrats hat die Ausländerbehörde zwei neue Stabsstellen eingerichtet, unter anderem für „Rückführungen per Charter auf europäischer Ebene“.

Der Verein „Kinder brauchen uns“ hat mit Hamburg International „nur gute Erfahrungen gemacht“, wie ein Sprecher versichert. Die Fluggesellschaft habe „bei der Beförderung der Kinder weit mehr als das Normale geleistet“. Auf die Frage, ob der Verein daran denke, wegen der Abschiebeflüge die Zusammenarbeit einzustellen, antwortet der Sprecher: „Solche Fragen stellen sich derzeit nicht.“

Aus Kreisen des Flüchtlingsrats dagegen ist zu hören: „Es wird über Aktionen nachgedacht, um diese Gesellschaft entsprechend zu würdigen.“ Die Abschiebungen müssten aufhören. Es müsse ein „Bleiberecht für alle“ gelten.