„Taktisch fehlt’s noch“

Berti Vogts, Trainer des nigerianischen Fußball-Nationalteams, ist dazu verdammt, den Africa-Cup in Ghana zu gewinnen. Das könnte sogar klappen, schließlich steht „der junge Franz Beckenbauer“ in seiner Mannschaft, wie der Deutsche verrät

Beim Africa-Cup, dem ersten Fußballhöhepunkt des Jahres (von Sonntag an bis zum 10. Februar), gehen die in der Fifa-Weltrangliste bestplatzierten Teams Nigeria, Kamerun, Guinea und Elfenbeinküste, aber auch Gastgeber Ghana und Titelverteidiger Ägypten als Favoriten ins Rennen um die Kontinentalmeisterschaft. Die 16 qualifizierten Mannschaften treten zunächst in vier Gruppen an; gespielt wird in Accra, Sekondi-Takoradi, Kumasi und Tamale.

INTERVIEW MARCUS BARK

taz: Herr Vogts, haben Sie Ihr Gehalt schon bekommen?

Berti Vogts: Es ist alles da, pünktlich.

Aber es war zu lesen, dass …

Alles Schwachsinn. Es kommt schon mal vor, dass es zwei Wochen später kommt. Aber es kommt.

Sie sollen mit Kündigung Ihres Vertrages gedroht haben?

In Nigeria schreiben sie, was sie wollen.

Sie bereiten Ihr Team auf den Afrika-Cup vor, der am Montag für Nigeria mit dem Spiel gegen die Elfenbeinküste beginnt. Wie stehen die Chancen?

In unserer Gruppe sind Mali und Benin. Das ist so, als würde Deutschland bei einer EM auf Frankreich, Holland und die Schweiz treffen. Da kannst du in der Vorrunde ausscheiden.

Wirklich?

Wir haben ein sehr junges Team. Sieben Jungs könnten noch in der Olympiaauswahl spielen. Beispielsweise Oladapu Olufemi. Der ist sensationell, 19 Jahre alt. Wenn ich den sehe, denke ich: der junge Franz Beckenbauer.

Wo liegen die Unterschiede zwischen afrikanischen und europäischen Mannschaften?

Fußballerisch gibt es keine mehr. Nur noch in der Vorbereitung. Da haben die Europäer ganz andere Möglichkeiten.

Seit 1990 heißt es, dass afrikanische Mannschaften in die Weltspitze vorstoßen. Bislang ist das nicht passiert.

Die Elfenbeinküste hatte bei der WM 2006 mit Argentinien und Holland auch enorm starke Gegner. Es fehlt taktisch noch ein bisschen. Das gilt auch für meine Mannschaft. Wenn wir es schaffen, in der Defensive schnell sieben Mann hinter den Ball zu bringen und wenn wir Spiele mit 1:0 gewinnen können, dann wird es für die Europäer gefährlich.

Also fehlt es an Disziplin?

Auch Schwachsinn. Meine Jungs sind zwar immer locker und beschwingt, aber genauso diszipliniert wie Europäer. Die haben sogar selbst einen Strafenkatalog entworfen.

Wie ist der Umgang?

Sie begegnen dem Trainer mit viel Respekt. Das ist generell im Ausland anders als in Deutschland. Wenn du da etwas sagst, kommt sofort der Agent und rennt zum Sportdirektor.

Ein deutsches Phänomen?

Wir tragen die Schuld. Wir erziehen schließlich unsere Kinder.

Zumindest besser Fußball spielen können sie inzwischen als eine Generation vorher.

Die Jugendarbeit beim DFB ist auf einem Superweg. Es sollte nur nicht der Fehler gemacht werden, den Kindern zu früh eine Position zuzuweisen. Das nimmt ihnen die Kreativität.

Ihre Aufbauarbeit als schottischer Nationaltrainer trägt Früchte. Das Team hätte fast die WM-Qualifikation geschafft.

Ich bin immer noch sauer, dass sie dieses Scheißspiel in Georgien verloren haben.

Sie haben mit den Schotten gefiebert, die Sie mit Spott und Hohn verabschiedet haben?

Mein Sohn studiert in Schottland. Wenn ich dort hinkomme, sprechen dich die gleichen Leute freundlich an, die dich damals verflucht haben. Ich war vielleicht auch zu extrem. Ich wollte die 30 talentiertesten Spieler an einer Uni zusammenziehen. Das ging mit beiden großen Vereinen aus Glasgow.

Interessiert die Bundesliga in Nigeria?

Die gucken nur Premier League. Ein bisschen Spanien. Bundesliga gibt es nicht.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will die Auslandsvermarktung vorantreiben.

Statt den BVB nach Krakau zu schicken, sollte mal jemand nach Nigeria kommen, in ein Land mit 140 Millionen Menschen. Wir hatten einen Sichtungslehrgang mit 3.000 Jugendlichen. Keiner davon lief mit einem deutschen Trikot herum. Das ärgert mich.

Trotzdem wirken Sie sehr entspannt. Ist Nationaltrainer von Nigeria der beste Job für Sie, den es gibt?

Nein, am besten ist es bei Real Madrid oder in Los Angeles.