Naumann gibt keinen Volkstribun

Neben dem Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit sieht SPD-Kandidat Michael Naumann etwas blass aus. Doch statt ihn zu kopieren, findet der Wahlkämpfer zunehmend seinen eigenen Stil: Ironie statt Säbelrasseln

Ein bisschen neidisch blickt er schon auf den Gast auf der Bundeshauptstadt: Genosse Wowereit ist nicht nur das, was Michael Naumann gern werden würde – Bürgermeister einer großen Metropole –, sondern er hat es einfach auch raus, ein Auditorium zu begeistern. Eine gute halbe Stunde zieht Wowereit vor rund 3.000 geladenen Gästen auf dem SPD-Neujahrsempfang im Hamburger Rathaus vom Leder: gegen Koch und von Beust, Merkel und die gesamte CDU. Und zeigt dem brav an seiner Seite stehenden Naumann nebenbei, wie man den Volkstribun gibt.

„Ole von Beust mag ja etwas abdecken, aber alles, was darunter ist, war bislang ein Konzert von Pleiten, Pech und Pannen“, ruft Wowereit aus und beweist, dass auch wenig aussagekräftige Sätze bei richtigem Vortrag Begeisterungsstürme auslösen können. Er bemüht den Mindestlohn, die Debatte um gerechtere Bildungschancen, die mangelnde Bereitschaft der Wirtschaft, Ausbildungsplätze anzubieten.

Und immer wieder bringt er diesen einen Satz: Nur der SPD gehe es darum, so Wowereit, „niemanden verloren zu geben, sondern alle mitzunehmen“. Egal ob es sich um den Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz handelt, den jungen Straftäter oder den Familienvater, der trotz Vollzeit-Job auf Sozialleistungen angewiesen ist. Die versammelte Hamburger Sozialdemokratie muss merklich an sich halten, dem Genossen aus Berlin nicht mehr Applaus zu zollen als ihrem eigenen Spitzenkandidaten.

Der zeigt dem Auditorium, dass er niemals der Mann sein wird, der die Massen fesselt – doch in den Niederungen des Wahlkampfs ist inzwischen auch Naumann angekommen, seinen eigenen Stil hat er gefunden: statt Rundumhieb gezielte Stiche, statt kraftstrotzendem Populismus feine Ironie.

Da räumt er schuldbewusst ein, natürlich kein waschechter Hanseat zu sein, lebe er doch erst seit 38 Jahren in Hamburg. Nicht zum ersten Mal wirft Naumann von Beust vor, die direkte Auseinandersetzung der Spitzenkandidaten in einem Fernsehduell zu meiden: Er habe das Gefühl, sagt Naumann, „dass die Marketingberater des CDU-Senats dieses zurzeit nicht wollen“. MARCO CARINI