Linkspartei unter Ostalgieverdacht

Drei Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen muss Linke-Spitzenkandidat Manfred Sohn sein Verhältnis zur DDR erklären – einst hatte er sie als „friedlicheren Teil Deutschlands“ gepriesen. Meinungsforscher sehen die Partei derweil im Landtag

Auch bei der Niedersachsen-Wahl wird am 27. Januar über das Projekt einer gesamtdeutschen Linkspartei entschieden. Anfang 2007 konnte Landesparteichef Diether Dehm mangels Aussichten, in den Landtag in Hannover einzuziehen, keine prominenten Aushängeschilder für seine Landesliste gewinnen. Allerdings hat die Niedersachsen-Linke anders als die Landesparteien in Bremen oder Hessen bislang noch kein Personalchaos zu vermelden. Im Mai war sie mit 8,4 Prozent in Bremen erstmals in ein westdeutsches Landesparlament gewählt worden, seitdem erscheint die Fraktion durch Stalking-Vorwürfe gelähmt. Im September war die niedersächsische Linke aus Linkspartei und der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) fusioniert, seitdem ist die Zahl der Mitglieder von 2.200 auf 2.700 gestiegen. Wie in Niedersachsen sehen die Umfragen Die Linke auch bei der Wahl in Hamburg über der Fünf-Prozent-Marke. KSC

VON KAI SCHÖNEBERG

Die CDU verteilt Waffeln, die FDP hat sich unter ihrem gelb-blauen Baldachin verkrochen, Grüne und SPD erst gar keine Stände aufgebaut. Manfred Sohn klappt den von Regen und Wind lädierten Schirm mit dem Schriftzug „Linke“ zusammen und stürzt sich auf die wenigen Passanten, die sich bei diesem Wetter in die Peiner Fußgängerzone gewagt haben. „Die Linke – damit das Wetter besser wird“, sagt der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen, nicht wenige nehmen seinen Flyer an. „Früher“, erzählt Sohn, „haben sie mir noch zugerufen ‚Geh doch nach drüben‘“.

Der 52-Jährige war Mitglied in der FDP, der SPD, im Spartakus-Bund, 20 Jahre lang in der DKP, dann in PDS und WASG. Nun ist der Gewerkschafter neben der 42-jährigen Kreszentia Flauger aus Wildeshausen der Mann im Spitzen-Duo der Linken für die Niedersachsen-Wahl.

Die Linken sind die große Unbekannte im Wahlkampf. Ihre Kandidaten sind politische Neulinge, die etablierten Parteien lästern über den „zusammengewürfelten Haufen“ oder die „Altkommunisten“.

Dennoch sieht es so aus, als ob der promovierte Politologe Sohn nach der Wahl am kommenden Sonntag Finanz- und Wirtschaftsexperte der neuen Linksfraktion im Landtag in Hannover werden könnte: Die großen Institute sagen seit dem vergangenen Wochenende voraus, dass der Partei mit fünf Prozent der Sprung in den niedersächsischen Landtag gelingt.

Während die CDU bereits gegen den drohenden „Linksruck“ mobil macht, glaubt Sohn, dass der Sonntag sogar noch mehr Stimmen bringt. „Am Dienstag wollten jeweils 500 Leute in Braunschweig und Hildesheim Gregor Gysi hören“, sagt der Linke. In der letzten Wahlkampfwoche habe die Partei eine Million Wahlbriefe unters Volk gebracht, 300 neue Großplakate im Land aufgestellt – die Grünen haben nur 15. Sohn: „Wir werden Überraschungssieger“.

Wenn da nicht die bösen Nachrichten wären. Als „offenkundigen Versuch, uns kurz vor dem Einzug in den Landtag mit Dreck zu bewerfen“, sieht er einen Zeitungsbericht, in dem aus einem erst zwei Jahre alten Sohn-Artikel in der linken Postille Ossietzky zitiert wird: Darin schreibt er über „die schlichte Wahrheit“, dass „die DDR 40 Jahre lang der friedlichere und sozial gerechtere Teil Deutschlands war.“ Das Regime sei „zurecht zu Grunde gegangen, weil es sich nicht in den Herzen der Menschen verankert“ habe, sagte Sohn am Mittwoch zur taz. Und: „Ich weine der DDR keine Träne nach“.

Auch Landesparteichef Diether Dehm muss sich bemühen, das Verhältnis der Linken zur untergegangenen DDR gerade zu rücken: „Es ist heute unbestritten, dass es dort keine Rechtsstaatlichkeit gab, weil die Gewaltenteilung keine Anwendung gefunden hat“, sagt Dehm. Allerdings: Die Linke habe nichts gegen die niedrigen Mieten und andere soziale Errungenschaften der DDR einzuwenden.

„Ich will die Reichen schröpfen“, sagt Manfred Sohn, der mit den rund 7.000 Euro Salär als Landtagsabgeordneter weniger verdienen würde als bei seinem derzeitigem Job bei einem Versicherungskonzern in Hannover. Die Linke streite auf Bundesebene für die Vermögenssteuer, im niedersächsischen Landtag will er sich für eine Steuer einsetzen, die Einzelhandelsketten für ihre Filialen im Land zahlen sollen – zugunsten kleinerer Läden. Am liebsten wäre Sohn eine Swimming-Pool-Steuer, aber die gibt das Programm seiner Partei noch nicht her.

Bei der Listenaufstellung im Sommer verdrängte Sohn den von Dehm favorisierten Oldenburger Ratsherr Hans-Henning Adler von Listenplatz 2. Von den aus Bremen oder Hessen bekannten Personalquerelen sind die niedersächsischen Linken dennoch bislang verschont geblieben. Er habe gegen Adler kandidiert, weil „auf der Liste keiner aus der Gewerkschaft war“, sagt Sohn. Hans-Henning Adler hat nun Listenplatz 8.

„Wir sind Realos geworden“, sagt Sohn. Egal wie die Landtagswahlen in Niedersachsen ausgehen: „Die Koalitionsfrage wird sich nicht stellen: Die Option Rot-Rot-Grün besteht nicht“ Grüne, SPD und Linkspartei sind zwar unisono gegen Studiengebühren, gegen ein gegliedertes Schulsystem, gegen teure Schulbücher oder Atomkraft.

Dennoch wollen SPD und Grüne auf gar keinen Fall mit den Linken, diese wollen nicht mit Rot oder Grün: „Die SPD“, sagt Sohn, „plakatiert, dass Gerechtigkeit wiederkommt: Aber wer hat die denn weggeschickt?“